Keine Einschränkung der Telekom-Regulierung

Hintergrund: Trotz des nahezu unangefochtenen Monopols der Telekom in den Ortsnetzen sieht das Wirtschaftsministerium keinen Anlaß zur Änderung der Regulierung.

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Von
  • Richard Sietmann

Trotz des nahezu unangefochtenen Infrastrukturmonopols der Deutschen Telekom in den Ortsnetzen und ihrer überragenden Marktstellung sowohl bei den Ortsgesprächen als auch bei den Teilnehmeranschlüssen sieht das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) derzeit "keinen aktuellen Bedarf, Änderungen am nationalen Ordnungsrahmen vorzusehen". Dies ist die Kernaussage eines vom Ministerium veröffentlichten Eckpunktepapiers (wir berichteten). Es dient zur Vorbereitung der abschließenden Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Jahresbericht der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) sowie dem Gutachten der Monopolkommission zur Wettbewerbssituation auf den Telekommunikationsmärkten, die voraussichtlich im Juli vom Kabinett verabschiedet werden soll. Noch bis zum 12. Mai haben Marktteilnehmer, Verbände, Gewerkschaften und Wissenschaft Gelegenheit, die Vorlage zu kommentieren.

Bislang bleiben die alternativen Angebote der neuen Carrier auf Ballungsräume begrenzt und richten sich dort vornehmlich an größere Geschäftskunden; Privatkunden sind bei den Ortsnetzanschlüssen überwiegend vom Wettbewerb ausgeschlossen. Insbesondere wird Unternehmensgründern und kleinen Anbietern, die sich keine Standleitungen für rund tausend Mark im Monat leisten können, um eigene Server ins Internet zu stellen (Always On, Always Connected), der Marktzutritt zum E-Commerce erschwert; sie bleiben auf das nicht minder teure Web-Hosting und den Zwischenhandel angewiesen.

Diese Situation führt die Monopolkommission – ein Beratungsgremium der Bundesregierung ohne eigene Entscheidungsbefugnisse – im Wesentlichen auf drei Ursachen zurück. Erstens sind die Marktzutrittskosten im Ortsnetz wegen der notwendigen Investitionen in Netzanbindungen sowie der kosten- und zeitintensiven Kundenakquise deutlich höher als im Ferngesprächsmarkt. Zudem ist die Deutsche Telekom als dominierender Teilnehmernetzbetreiber in der Lage, die Kosten des Markteintritts für neue Anbieter zu beeinflussen. Dies vor allem, weil sie die Modalitäten der Umschaltung eines Anschlusses bestimmt. "Der Anreiz, solche Behinderungspotenziale zu nutzen, ist groß". Zweitens beschränkt der Preis für den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung den Wettbewerb. Er liegt gemäß dem Beschluss der RegTP vom Februar 1999 höher als das Entgelt, das Endkunden der Telekom für den Teilnehmeranschluss zahlen. Damit werden Marktzutritte neuer Anbieter zwar nicht verhindert, in der Tendenz jedoch erschwert. Drittens schließlich stehen derzeit im Festnetz keine alternativen Anschlusstechnologien zum herkömmlichen Telekommunikationsnetz zur Verfügung. Die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen, die Nutzung der Stromnetze oder des existierenden Fernsehkabelnetzes als Endkundenzugang werden im Ortsnetz nach Ansicht der Monopolkommission nur mittel- und langfristig zu einer Intensivierung des Wettbewerbs beitragen; kurzfristig seien selbst die potenziellen Wettbewerbswirkungen gering, solange die technischen und ökonomischen Perspektiven dieser Technologien unsicher sind.

Das BMWi teilt die Einschätzung der Monopolkommission, dass die Wettbewerbsintensität auf den Märkten für Ortsgespräche und Teilnehmernetzanschlüsse bisher gering ist, hofft aber, dass sich die Situation von selbst bereinigt. "Die alternativen Anschlusstechnologien (WLL, DECT, xDSL, Breitbandkabel) tragen allerdings im Zusammenspiel mit der gestiegenen Nachfrage nach breitbandigeren Netzzugängen sowie der Möglichkeit des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung der Deutschen Telekom das Potenzial in sich, für eine deutliche Wettbewerbsintensivierung zu sorgen", heißt es in dem Eckpunktepapier.

Auch die Sonderregelungen fĂĽr die Wettbewerbsaufsicht des Telekommunikationssektors, die von der RegTP und nicht wie in allen anderen Branchen vom Bundeskartellamt wahrgenommen wird, will das BMWi vorerst beibehalten. Es sieht "die mittelfristige Alternative zur sektorspezifischen Regulierung nicht in der ausschlieĂźlichen Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts, sondern in der modifizierten sektorspezifischen, an die Wettbewerbsentwicklung angepassten Regulierung". Allenfalls langfristig soll die Telekommunikation dem allgemeinen Wettbewerbsrecht unterstellt werden.

Damit folgt der Wirtschaftsminister der Empfehlung der Monopolkommission und nicht dem Bundeskartellamt. Wie Kartellamtspräsident Ulf Böge in einem Interview mit c't erklärte, hat seine Behörde "immer die Auffassung vertreten, dass es keine sektorspezifischen Regelungen geben sollte". Böge hofft, dass sich die herrschende Meinung bis zum Erscheinen des nächsten Monopolgutachtens in zwei Jahren geändert haben wird. "Dann wird man in der Überlegung einen Schritt weiter sein, ob die bereichsbezogene Regulierung in der Telekommunikation beibehalten werden soll oder nicht". Das vollständige Interview mit dem Kartellamts-Chef veröffentlicht c't in Ausgabe 10/2000 (ab dem 8. Mai im Handel). (Richard Sietmann) (jk)