Nuklear-Netze für den Ozean

Die Weltmeere enthalten tausend Mal mehr Uran als die bekannten Lagerstätten an Land. US-Forscher hoffen, es mit neuen metall-organischen Verbindungen eines Tages im großen Stil zu bergen.

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Von
  • Mike Orcutt

Die Weltmeere enthalten tausend Mal mehr Uran als die bekannten Lagerstätten an Land. US-Forscher hoffen, es mit neuen metall-organischen Verbindungen eines Tages im großen Stil zu bergen.

Auch wenn Deutschland mit seiner Energiewende der Kernkraft den Rücken gekehrt hat, kann von einem absehbaren globalen Ausstieg keine Rede sein. Vor allem in China, aber inzwischen auch in den USA sind neue Reaktoren im Bau. Der Bedarf an Uran könnte daher in den kommenden Jahrzehnten noch zunehmen. Die Reserven sind jedoch begrenzt. Wenn auch nur theoretisch: Die Weltmeere enthalten rund tausend Mal mehr Uran als alle bekannten Lagerstätten an Land. Wissenschaftler der University of North Carolina wollen nun mit einem neuen Verfahren die gewaltige marine Ressource erschließen.

Zwar hat es seit Jahrzehnten immer wieder Versuche gegeben, Uran aus dem Meer zu gewinnen – etwa mit Kunststofffasern, die mit einer Uran-bindenden Chemikalie ummantelt sind. Besonders effizient war das aber nicht. Die Gruppe um den Chemiker Wenbin Lin setzt nun auf so genannte Metall-organische Gerüste (kurz MOF, für „metal-organic framework“), um Uran-Ionen in den Fluten einzusammeln. In Labortests zeigten sich MOF sehr viel wirksamer als die bekannten Plastik-Adsorber.

MOF sind kristalline Verbindungen, die Hohlräume enthalten. Deren Größe lässt sich je nach Zusammensetzung verändern, so dass das Material eine enorme Gesamtoberfläche haben kann, an der sich andere Stoffe anlagern können. Ihre Adhäsionsfläche ist bis zu zehnmal größer als die von Zeolithen, natürlich vorkommenden Kristallen aus Aluminiumoxiden und Silikaten. Im Unterschied zu Zeolithen enthalten sie auch organische Verbindungen, die verschiedenste chemische Bindungen eingehen können. Auch als Gassspeicher, etwa für hochflüchtiges Wasserstoffgas, werden MOF inzwischen eingesetzt, wenn auch noch nicht in großem Umfang.

Marines Uran ist nur schwer auszubeuten, weil es in der ungeheuer niedrigen Konzentration von etwa drei Teilchen Uran pro Milliarde Wassermolekülen vorliegt. Ein Problem mit den bisher verwendeten Plastikfasern war zudem, dass sich an sie auch etliche andere im Meerwasser gelöste Ionen banden.

Selbst die besten Fasern kämen bislang nur auf eine Ausbeute von drei bis vier Milligramm pro Gramm eingesetztem Kunststoff, sagt Costas Tsouris vom Oak Ridge National Laboratory, der an der Technologie arbeitet. Die von Lins Gruppe entwickelten MOF schafften im Labortest nun 200 Milligramm pro Gramm des Adsorbers. Dank des präzisen Designs seiner dreidimensionalen Struktur habe das Material eine hohe Uran-Affinität, sagt Lin. Er und seine Mitarbeiter haben den Stoff im Journal Chemical Science der britischen Royal Chemical Society vorgestellt.

Tsouris findet Lins Testergebnisse „vielversprechend“. Nun müsse man sehen, wie sich das Material unter realen Bedingungen verhalte, wo andere Ionen mit dem Uran um Bindungen an den organischen Komponenten der MOF konkurrieren. Die Ergebnisse dürften nicht so gut wie im Labor sein, erwartet Erich Schneider, Kerntechnik-Ingenieur an der University of Texas in Austin. Doch auch Schneider ist von Lins Arbeit positiv überrascht. Denn die bisher verwendeten Materialien hätten auch in Labortests nicht die Ausbeute der MOF erreicht.

Mit den Plastikfasern gewonnen, würde ein Kilogramm Uran zwischen 1000 und 2000 Dollar kosten – 10- bis 20-mal mehr als der gegenwärtige Marktpreis, sagt Schneider. Das neue Verfahren könnte die Gewinnung von Meeresuran deutlich billiger machen und am Ende vielleicht doch noch konkurrenzfähig, sollte der Uranpreis wie zuletzt kurrzeitig im Jahre 2007 wieder auf 300 Dollar pro Kilogramm steigen.

Lin sieht noch einigen Spielraum dabei, seine MOF zu verbessern. Er ist zuversichtlich, die Verbindungen im Labor weiter „tunen“ zu können, so dass sie ihre Effizienz um ein Vielfaches größer ist als die bislang getesteten.

Das Paper:
Carboni, Michael et al.: "Highly porous and stable metal–organic frameworks for uranium extraction", Chemical Science, Vol. 4, S. 2396, (Abstract)

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