US-Kabelnetzbetreiber Comcast bremst Peer-2-Peer aus

Tests der Nachrichtenagentur AP sowie der Electronic Frontier Foundation haben ergeben, dass der zweitgrößte US-Internetprovider BitTorrent-Uploads blockiert. Befürworter strenger Netzneutralitätsregeln sehen sich in ihren Bestrebungen bestätigt.

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Tests der Nachrichtenagentur AP sowie der Electronic Fontier Foundation (EFF) haben ergeben, dass der US-Kabelnetzbetreiber Comcast das Hochladen von Dateien über die Filesharing-Software BitTorrent blockiert. Der zweitgrößte US-Internetprovider nutzt demnach für die Behinderung der Uploads gefälschte Reset-Signale des Internetprotokolls TCP/IP. Die Netzcomputer gehen daher vom Versand ungültiger Datenpakete aus und kappen die Datenübertragung. Diese Technik werde unter anderem auch für das Zensursystem in China verwendet, schreibt die EFF. Zuvor hatte es bereits Berichte gegeben, dass Comcast auch das Filesharing über Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P) wie Gnutella oder eDonkey auszubremsen versuche.

AP nutzte für den Nachweis der Blockade die Kopie einer Copyright-freien Bibel, die über den Kabelnetzbetreiber zwischen Computern in Philadelphia und San Francisco via BitTorrent ausgetauscht werden sollte. In zwei von drei Versuchen wurde der Transfer der nur wenige Megabyte umfassenden Datei sofort blockiert, einmal startete er erst nach zehn Minuten. Nicht erfolgreich waren auch Upload-Experimente mit Dateien, für die eine größere Nachfrage auch bei anderen BitTorrent-Nutzern zu erwarten war. Die Blockadelösung, die laut Beobachtern unter anderem von der kanadischen Firma Sandvine angeboten wird, scheint aber noch nicht in den ganzen USA zu greifen. So konnten von Boston aus Dateiübertragungen via P2P ganz normal durchgeführt werden.

Ein Comcast-Sprecher wollte den Einsatz der Reset-Methode und der Sandvine-Software nicht konkret bestätigen. Man bewahre Stillschweigen über Kooperationen mit diversen Technikpartnern, erklärte er, und dass sein Haus "den Zugang zu keiner Applikation blockiere, auch nicht zu BitTorrent". Tatsächlich können Comcast-Kunden BitTorrent weiter starten. Eine wachsende Anzahl von ihnen beklagt aber, dass das Filesharing-Programm in Folge nicht normal genutzt werden könne. "Wir sind dafür verantwortlich, unser Netzwerk so zu handhaben, dass alle unsere Kunden das bestmögliche Breitband-Erlebnis haben", lautet die offizielle Erklärung von Comcast dazu. Dazu würden die "aktuellsten Techniken" auf dem Markt verwendet.

Dass viele Provider versuchen, den Internetverkehr zu steuern und P2P-Netzwerke zu drosseln beziehungsweise auszubremsen, ist bekannt. Die Macher des fürs BitTorrent-Netzwerk geeigneten P2P-Client Azureus haben ein Wiki aufgesetzt, in dem Nutzer eine Übersicht über entsprechende Beobachtungen bei Netzanbietern weltweit zusammenstellen. Dort gibt es auch Tipps, wie sich die meisten Behinderungen etwa über den Einsatz von Software für verschlüsselte Virtual Private Networks (VPN) abstellen lassen. Eine komplette Blockade einzelner Filesharing-Programme ist dagegen zumindest in den USA offenbar eine neue Variante des "Netzwerkmanagements".

Der Mitgründer der Firma BitTorrent, Ashwin Navin, hat Probleme mit Comcast und einer Reihe kanadischer Zugangsanbieter bestätigt und das Vorgehen scharf kritisiert. Die Provider "nutzen ausgefeilte Techniken, um die Nutzung des Dienstes zu erschweren", moniert Navin, der sich um die legale Verbreitung von Inhalten über das BitTorrent-Netz bemüht. Die für die Blockaden anfallenden Kosten sollten die Anbieter seiner Ansicht nach lieber in die Verbesserung ihrer Infrastruktur fließen lassen. Bit-Torrent und andere P2P-Netze, die Schätzungen zu Folge den Großteil des Internetverkehrs ausmachen, seien schließlich einer der wichtigsten Gründe für den Umstieg der Verbraucher auf Breitband-Dienste.

Die Befürworter einer raschen gesetzlichen Festschreibung der so genannten Netzneutralität erkennen in diesem Fall Wasser auf ihre Mühlen: "Keinem Internetprovider sollte es gestattet sein, die Möglichkeit seiner Kunden zum uneingeschränkten Versand oder Empfang rechtmäßiger Inhalte über das Netz zu behindern oder zu blockieren", betont der Sprecher der US-Interessensvertretung Free Press, Jen Howard. Seine Organisation macht sich für eine Verpflichtung zur Einhaltung des offenen Prinzips des Internet stark. Auch für die Präsidentin der US-Bürgerrechtsbewegung Public Knowledge, Gigi Sohn, unterstreicht das Eingreifen Comcasts in den Netzverkehr die Notwendigkeit, dass der US-Kongress bei der Netzneutralität handeln muss. Der Gesetzgeber dürfe auch nach der Zensur eines Pearl-Jam-Konzertes durch AT&T nicht länger die Hände in den Schoß legen. Vielmehr müssten rasch Bestimmungen geschaffen werden, die ein offenes Internet bewahren helfen.

Der Streit über die Netzneutralität wird vor allem in den USA seit längerem hitzig geführt. Großen US-Breitbandanbietern wie AT&T und Comcast sowie einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es dabei darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten und mehr Kontrolle über die Nutzung ihrer Netze zu erhalten. Verfechter strenger gesetzlicher Netzneutralitätsregeln wie Amazon.com, Google, Microsoft oder Yahoo fürchten dagegen, dass neue Geschäftsmodelle durch ein Mehr-Klassen-Netz behindert werden. (Stefan Krempl)/ (gr)