Wikipedia schützt Entführungsopfer

Die New York Times hat in Zusammenarbeit mit Wikipedia-Gründer Jimmy Wales Informationen über die Entführung eines US-Journalisten in US-Medien und der der Online-Enzyklopädie unterdrückt, um dessen Sicherheit nicht zu gefährden.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Wie die New York Times berichtet, hat die Zeitung in Zusammenarbeit mit Wikipedia-Gründer Jimmy Wales Informationen über die Entführung eines US-Journalisten in der Online- Enzyklopädie unterdrückt. David Rohde war sieben Monate in der Hand der Taliban und konnte sich im Juni selbst befreien. Um die Sicherheit des Reporters nicht zu gefährden, hatte die Zeitung mehrere große Medienhäuser in den USA eindringlich gebeten, nicht über den Entführungsfall zu berichten. Das Schicksal des Pulitzer-Preisträgers blieb deswegen der breiten Öffentlichkeit verborgen.

In einem heute veröffentlichten Artikel schildert die Redaktion, dass sie nicht nur klassische Medienhäuser, sondern auch die Wikipedia zur Mitarbeit bewegte. Eine Erwähnung in der Online-Enzykloädie hätte den Medien-Blackout zunichte machen können – auch heute verweist Google bei der Suche nach David Rohde zuerst auf den Wikipedia-Artikel.

Um dies zu verhindern, schaltete die New York Times Wikipedia-Gründer Jimmy Wales ein, der seine Kooperation zusagte. Obwohl die Entführung schon im November von afghanischen Nachrichtenagenturen gemeldet und kurz danach auch auf Wikipedia erwähnt wurde, wurde diese Information immer wieder gelöscht. Da anonyme Wikipedia-Nutzer die Information immer wieder neu einstellten, wurde der Artikel zeitweise gesperrt.

"Wir hatten keine Ahnung, wer das war", erklärt Wales gegenüber der New York Times. Um nicht Aufmerksamkeit auf den Artikel zu ziehen, bat er andere Administratoren darum, die Informationen über die Entführung zu löschen und den Artikel zu sperren. "Wir können das über Monate so halten." Eine dauerhafte Sperre wollten die Administratoren aber nicht verhängen, sodass immer wieder ein Edit War aufflammte und neue Sperren verhängt wurden. Erst als Rohde in der vergangenen Woche die Flucht gelang, hob Jimmy Wales die Sperre wieder auf. In einer Twitter-Nachricht bedankt er sich bei allen Wikipedianern, die bei der Aktion geholfen haben.

Die New York Times ging noch weiter. Ein Kollege von David Rohde editierte den Wikipedia-Artikel über Rohde so, dass die Entführer ein möglichst günstiges Bild von ihrem Gefangenen gewinnen sollten: Dazu ergänzte er einen Absatz über Rohdes Berichterstattung über das Massaker von Srebrenica und die Gefangenen in Guantanamo Bay. Dieser Abschnitt wurde mittlerweile von einem anderen Wikipedia-Autoren als unneutral markiert. Nun sollen die entsprechenden Passagen neu geschrieben werden.

Die Aktion wirft ein weiteres Mal Licht auf die umstrittene Machtposition des Wikipedia-Gründers. So beruft sich die Wikimedia Foundation immer wieder darauf, als Betreiber der Wikipedia keine direkte Kontrolle über die Inhalte der Online-Enzyklopädie zu haben. In Deutschland hatte die Autoren-Community die Löschung des bürgerlichen Namens des Hackers Tron aus persönlicher Rücksichtnahme abgelehnt. (Torsten Kleinz) / (jk)