Unions-Länder fallen Schäuble beim BKA-Gesetz in den Rücken

Der Plan des Bundesinnenministers, das Bundeskriminalamt mit zahlreichen präventiven Befugnissen aufzurüsten, geht seinen Länderkollegen deutlich zu weit. Die SPD will derweil die LKW-Mautdaten für die Fahndung freigeben.

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Der Plan von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), das Bundeskriminalamt (BKA) mit zahlreichen präventiven Befugnissen aufzurüsten, geht gerade seinen Kollegen in Bundesländern mit Unionsregierungen deutlich zu weit. Dies berichtet der Spiegel. In schriftlichen Stellungnahmen rügen die Länder demnach vor allem, dass das BKA zu stark in die Belange der Landespolizeibehörden eingreifen dürfe. Aus dem Entwurf für die Novelle des BKA-Gesetzes gehe nicht klar hervor, wann genau das Wiesbadener Polizeiamt einen Fall an sich ziehen könne und ob es die Länder über den Stand der Ermittlungen danach unterrichten werde. Schäubles Taktik, seine Initiative ohne einen Kabinettsbeschluss für Kommentare der Länder zu öffnen und den bisherigen Hauptsstreitpunkt der heimlichen Online-Durchsuchungen zu umgehen, hat somit die Aussichten auf eine rasche Verabschiedung des Vorhabens nicht verbessert.

Dem Bericht zufolge hält es etwa der Hamburger Senat für "schlicht nicht hinnehmbar, dass das BKA grundsätzlich eine Zuständigkeit für bestimmte Fallgruppen reklamiert, sich dann jedoch allein die Entscheidung vorbehält, ob es im konkreten Fall aktiv werden wird". Für das bayerische Innenministerium ist der weitgehend freie Zugriff des BKA auf Strafverfolgungsvorgänge "nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. Auch aus polizeifachlichen Gründen ist eine derartige Regelung nicht akzeptabel".

Niedersachsen kritisiert dem Spiegel zufolge, das BKA sei doch ohne die Länder gar nicht fähig, etwa Terrorziele zu schützen. Entsprechend dürfe das geplante Gesetz der Behörde keinen Freischein für Alleingänge ohne ständige Rücksprache mit den betroffenen Ländern geben. Das saarländische Innenministerium wiederum fürchtet, das BKA könnte im Saarland gegen Terrorverdächtige ohne Rücksprache mit den Landesbehörden ermitteln und dabei etwa "vor Ort Kontaktpersonen/Informanten enttarnen".

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, lobte, "dass die Bundesländer beim BKA-Gesetz langsam aufwachen". Seine Partei habe immer davor gewarnt, "dass die neuen Befugnisse des BKA beim Terrorismus nur zu einem unnötigen Kompetenzwirrwarr zwischen Bundes- und Landespolizeibehörden führen" würden. Für die Fraktion der Linken im Bundestag kritisierte deren Vize-Chefin Petra Pau, dass das harmlos klingende Gesetz den Weg in einen präventiven Sicherheitsstaat weise. Ihrer Ansicht nach schwänden damit die Grenzen zwischen BKA und Geheimdiensten. "Das ganze Konstrukt wird zunehmend zentralisiert und zugleich immer weniger kontrollierbar." Das Bundeskriminalamt würde zu einem "gefährlichen Fremdkörper in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat".

Schon Schäubles Vorgänger Otto Schily hatte in rot-grünen Regierungszeiten wiederholt im Rahmen seiner diversen Anti-Terrorpakete versucht, das BKA mit "Vorfeldermittlungsbefugnissen" zu versehen und zu einer zentral agierenden "Superbehörde" auszubauen. Immer wieder scheiterte der SPD-Politiker, dem momentan als Bundestagsabgeordneten wegen angeblich verschwiegener Beratertätigkeiten für Siemens Ärger droht, am Widerstand der um die Vollmachten ihrer Polizeibehörden besorgten Länder sowie des damaligen Koalitionspartners.

Schäubles Plan geht über das Vorhaben Schilys deutlich hinaus. Mit dem Vorstoß sollen die bundesweit tätigen Ermittler im Rahmen der Terrorabwehr unter anderem präventiv zu Rasterfahndungen, Telekommunikationsüberwachungen und zum großen Lauschangriff ermächtigt werden. Der Entwurf sieht ferner die heimliche Ausspähung "informationstechnischer Systeme" vor. Diese Klausel würde die SPD nach wie vor am liebsten außen vor halten, da sie erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Razzien in Nordrhein-Westfalen abwarten will. Laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wird es zeitlich auch nicht mehr möglich sein, das Gesetzgebungsverfahren vor dem Karlsruher Urteil abzuschließen. Sie sagte der Berliner B.Z. am Sonntag: "Es muss einen nachvollziehbaren Bedarf der Sicherheitsbehörden für Online-Durchsuchungen geben und das Gesetz muss mit der Verfassung vereinbar sein."

Auch in einem Leitantrag der SPD-Spitze zur inneren Sicherheit für den Parteitag der Genossen in der kommenden Woche in Hamburg wird die Verabschiedung einer Lizenz für den Einsatz des "Bundestrojaners" derzeit strikt abgelehnt. Die Politik dürfe "nicht ohne Not das Risiko einer verfassungswidrigen Regelung" eingehen, heißt es. Die LKW-Mautdaten sollen nach dem Willen der SPD aber künftig von den Sicherheitsbehörden auch zur Verfolgung von schweren Straftaten und zur Abwehr von Gefahren genutzt werden dürfen. Einer dauerhafte Speicherung von Fingerabdrücken aus den elektronischen Reisepässen der zweiten Generation und den geplanten neuen Personalausweisen wollen die Sozialdemokraten vorbauen. Unvereinbar mit der Verfassung ist nach Ansicht der SPD die von Schäuble ins Gespräch gebrachte Aufgabe der Unschuldsvermutung im Strafrecht sowie die gezielte Tötung von Verdächtigen, die Internierung so genannter Gefährder, die Anwendung von Folter und eine Bestrafung für "bloße Gesinnung".

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (anw)