Österreich: Großer Lauschangriff gegen Computer eines Terrorverdächtigen

Im Rahmen einer Gerichtsverhandlung gegen einen Terrorverdächtigen wurde bekannt, dass das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung auf dessen Computer 98 GByte erzeugt und abgezogen hat.

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98 GByte an Daten hat das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf dem Computer des 22-jährigen Mahmoud M. erzeugt und abgezogen. Wie österreichische Medien berichten, wurde dies im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen M. und seine 21-jährige Frau Mona S. in Wien bekannt. Den Einsatz eines Trojaners stellen die Behörden in Abrede.

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass M. im März vergangenen Jahres an der Produktion eines Drohvideos beteiligt gewesen ist und dieses im Internet verbreitet hat. Außerdem soll er einen Text über Anschlagspläne zur Fußball-Europameisterschaft der Herren, die im Juni in Österreich und der Schweiz stattfindet, online gestellt haben. S. solle ihren Mann durch Übersetzerdienste unterstützt haben. Die Anklage gegen das Paar lautet unter anderem auf Bildung beziehungsweise Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig. Er habe zwar die Globale Islamische Medienfront unterstützt, mit dem Drohvideo aber nichts zu tun.

Gegen den Verdächtigten war ein so genannter Großer Lauschangriff richterlich genehmigt worden. Die Polizeibeamten versuchten zunächst, den Traffic von M.s Computer bei seinem Internet Service Provider mitzuschneiden. Doch der Mann war vorsichtig: 35 Prozent seines Datenverkehrs ließ er verschlüsselt über einen Proxy in Malaysia laufen, sodass der Lauschangriff der österreichischen Behörden zunächst ins Leere ging.

Daher brach die Polizei in die Wohnung von M.s Eltern ein, dort wohnte der Mann damals. Um seine VoIP-Telefonate abzuhören, wurden in seinem Zimmer Wanzen installiert. Das Vorhaben, unauffällig Kameras anzubringen, scheiterte – daher wurde fortan der Hauseingang und die Straße vor dem Zimmer gefilmt.

Zudem wurde auf dem Computer spezielle Software installiert, die alle Tastaturanschläge aufzeichnete und die alle 60 Sekunden den Bildschirminhalt festhielt. Die damit erzeugten Daten wurden automatisch an die Polizei übermittelt. "Das ist keine Online-Durchsuchung, sondern eine Online-Überwachung", sagte ein als Zeuge geladener BVT-Mitarbeiter vor Gericht. Die Überwachung habe "völlig einer herkömmlichen Telekommunikationsüberwachung entsprochen". Auf die Daten auf der Festplatte soll nicht zugegriffen worden sein. Allerdings wurde der Rechner zu einem späteren Zeitpunkt beschlagnahmt und durchsucht. Darauf gefundene Videos sollen den Geschworenen vorgeführt werden.

Der Anwalt des Angeklagten vertritt die Auffassung, dass die heimliche Installation solcher Software auf dem Computer eines Verdächtigen illegal ist. Ziel des Rechtsvertreters ist, eine Verwertung der Beweise vor Gericht zu verhindern. Im österreichischen Strafprozessrecht begründet eine rechtswidrige Beweisgewinnung nicht automatisch ein Verwertungsverbot. Da der Angeklagte unter anderem leugnet, den Text über mögliche Anschläge verfasst zu haben, sollen Experten nun klären, ob die von der Anklage vorgelegten Beweise stichhaltig sind. (Daniel AJ Sokolov) / (anw)