SWR geht gegen GEZ-Artikel der Süddeutschen Zeitung vor

Ein Artikel über die Rechte der GEZ-Mitarbeiter enthält nach Meinung der Rundfunkanstalt falsche Tatsachenbehauptungen. Die Zeitung hat den strittigen Text inzwischen vom Netz genommen.

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Die ARD betreibt weiter Imagepflege in Sachen GEZ. Nachdem die Kölner Gebühreneintreiber dem vergleichsweise unbekannten Portal akademie.de per Abmahnung eine genehme Sprachregelung aufzwingen wollten und mit wenig freundlicher, dafür aber bundesweiter Berichterstattung belohnt wurden, übernimmt nun offenbar der Südwestrundfunk die Wacht über deutsche Journalisten. Auf einen nicht gerade schmeichelhaften Beitrag der Bild-Zeitung ("Die Methoden der GEZ-Schnüffler. Sie schnüffeln. Sie drohen. Sie kassieren kräftig ab.") reagierte der SWR noch mit einer länglichen Stellungnahme, um die nach Anstaltsmeinung "sachlichen Fehler" der Bild zu korrigieren. Jetzt bemühte der Sender seine Rechtsabteilung, um gegen einen Artikel der Süddeutschen Zeitung (SZ) vorzugehen.

Ganz informell bittet SWR-Justiziar Hermann Eichler in einer E-Mail an die Onlineredaktion der SZ, "zwei falsche Tatsachenbehauptungen" zu korrigieren und droht unverhohlen mit rechtlichen Schritten: Künftig werde der SWR "bei vergleichbar falschen Tatsachenbehauptungen auch unmittelbar rechtlich gegen die Süddeutsche Zeitung vorgehen". Es geht um einen in der gedruckten SZ vom 11. Oktober und anschließend online veröffentlichten Artikel über die Methoden und Rechte der "Rundfunkgebührenbeauftragten", wie die Außendienstler nach GEZ-Sprech korrekt genannt werden sollen. Der von einem Redaktionsbüro gelieferte Text selbst wird vom SWR nicht beanstandet, sondern zwei darin enthaltene direkte Zitate des Rechtsanwalts und Lawbloggers Udo Vetter. Der hatte über die Rechte der GEZ-Mitarbeiter gesagt, sie hätten "keinerlei hoheitliche Befugnisse", auch die Fragen der GEZler müssten nicht beantwortet werden.

Das sei falsch und eine unzulässige Tatsachenbehauptung, meint der SWR. Gemäß Rundfunkgebührenstaatsvertrag und der Satzung des SWR nähmen "die Gebührenbeauftragten Prüf- und Kontrollaufgaben für die Landesrundfunkanstalten wahr". Der Staatsvertrag berechtige die GEZ-Mitarbeiter, für die Bemessung der Gebührenpflicht notwendige Auskünfte einzufordern und dabei unter Umständen auch Einsicht in Geschäftsunterlagen zu verlangen. Damit verfügten die Außendienstler insgesamt über "hoheitliche Befugnisse". Auch den Hinweis Vetters, Fragen müssten nicht beantwortet werden, hält der SWR-Justiziar, der für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, für falsch.

Offenbar kann die Rechtsabteilung der SZ das durchaus nachvollziehen. Der Text ist aus dem Online-Angebot der Tageszeitung verschwunden (bei dem ebenfalls vom Süddeutschen Verlag herausgegebenen jetzt.de war er bis Montagabend noch online). Aus der Online-Redaktion der Münchner Zeitung hieß es dazu nur, das sei eine Sache der Print-Kollegen, der Text sei nach einem Gespräch mit dem Hausanwalt offline gegangen. Ein Sprecher des Süddeutschen Verlags bestätigte auf Anfrage, der Artikel sei auf Anraten des Verlagsjustiziars gelöscht worden – "auf dem kleinen Dienstweg" und natürlich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Der Text enthalte einige "Unschärfen", der Verlag habe sich nicht auf einen Rechtsstreit einlassen wollen.

Gegen falsche Tatsachenbehauptungen in Veröffentlichungen können sich Betroffene per Gegendarstellungsverlangen oder auch einstweiliger Verfügung wehren. Nach Ansicht von Andreas Kunze, aus dessen Redaktionsbüro der strittige SZ-Text stammt, erkläre der SWR hier aber "Meinungsäußerungen kurzerhand zu unwahren Tatsachenbehauptungen", um so dagegen vorgehen zu können. Auch der zitierte Vetter vermutet einen Einschüchterungsversuch.

Vetter bleibt bei seiner Aussage. Der Düsseldorfer Strafrechtler hält die Argumente des SWR für "Wortklauberei". Es sei aus dem Kontext klar ersichtlich, dass es hier um seine Meinung bezüglich der unmittelbaren Möglichkeiten der GEZ-Mitarbeiter vor der Haustür gehe: "Klar mögen die einen Auskunftsanspruch haben", aber darüber hinaus hätten sie keine Befugnisse, diesen vor Ort in irgendeiner Form durchzusetzen – genau das habe er zum Ausdruck gebracht.

Im Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStv) ist der konkrete Handlungsrahmen der Außendienstler nicht klar geregelt, für Einzelheiten verweist der Gesetzestext auf die Satzungen der Rundfunkanstalten. In der Satzung des SWR heißt es dazu, die "Beauftragten sind berechtigt, für den Südwestrundfunk die gesetzlich bestimmten Auskünfte zu verlangen" und "entgegenzunehmen". Die einzige Zwangsmaßnahme, die der Rundfunkgebührenstaatsvertrag bei Auskunftsunwilligen vorsieht, ist ein Verwaltungszwangsverfahren. Mehr ist im Detail nicht geregelt.

Die Frage, ob die SZ mit Vetters Zitaten eine falsche Tatsachenbehauptung veröffentlicht hat, ist nicht ganz so einfach zu beantworten, wie es der SWR darstellt. Nach Meinung von Rechtsexperten ist die Formulierung zwar etwas heikel, allerdings müsse der Kontext, in dem die Äußerung erschienen sei, einbezogen werden. Im Zweifel müsse die Meinungsfreiheit Vorrang haben. Darüber hinaus sei in der Sache zu klären, ob die hoheitlichen Befugnisse der Sender tatsächlich auf die Beauftragten übergingen und ob das rechtlich einwandfrei hergeleitet werden könne.

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht entschied 2003 in einem Fall, in dem es um die strittige Festsetzung des gebührenpflichtigen Zeitraums anhand eines vom GEZ-Außendienstler unterschriebenen Formulars ging, dass die Rundfunkanstalt zwar über hoheitliche Befugnisse verfüge, diese aber mangels gesetzlicher Grundlage nicht auf den freiberuflichen Außendienstler übergehen (Az 3 K 1256/03). (vbr)