US-Überwachungsgesetz soll deutlich ausgeweitet werden

Laut dem jüngsten Entwurf für den Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) aus dem US-Senat würden auch Internetprovider, Wohnungsverwalter oder Hotelmanager bei der Übernahme von Hilfssheriffsdiensten nicht belangt.

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Pläne im US-Senat für die Reform der Observationsmöglichkeiten der US-Sicherheitsbehörden zur Terrorabwehr gehen noch weit über die bisher bekannten Schnüffelbefugnisse etwa für die National Security Agency (NSA) hinaus. Aus dem inzwischen veröffentlichten Entwurf des Geheimdienstausschusses (PDF-Datei) für die heftig umstrittene Novelle des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) geht unter anderem hervor, dass die von führenden Senatoren von Demokraten und Republikanern mit dem Weißen Haus ausgehandelte Straffreiheit für private Schnüffelhelfer nicht nur für klassische Telcos und ihre Hilfsdienste beim Abhören der internationalen Telekommunikation gelten soll. Vielmehr sollen laut dem am Donnerstag im Ausschuss beschlossenen Papier etwa auch Internetzugangsanbieter, Host- oder E-Mail-Provider sowie Suchmaschinenbetreiber für private Sheriffsleistungen nicht belangt werden dürfen.

Der Entwurf bezieht sich ferner nicht nur auf die Telekommunikation und die NSA. Vielmehr soll nachträglich und künftig jegliche Unterstützung von Sicherheitsbehörden wie dem FBI, der CIA sowie der NSA und weiteren Mitarbeitern von Ministerien beim Zugang zu Informationen oder selbst "Einrichtungen" legitimiert werden. Wie der Branchendienst CNet argwöhnt, könnten damit etwa auch Wohnungsverwalter oder Hotelmanager straffrei bleiben, wenn sie staatlichen Schnüfflern Zugang zu den Räumen Verdächtiger verschaffen und so das Auslesen von Festplatten oder das Installieren von Spionagesoftware auf Computern ermöglichen. Gerichtsbeschlüsse wären für derlei Maßnahmen nicht erforderlich. Als Einschränkung sieht die jüngste FISA-Novelle in Form des Protect America Act bislang noch vor, dass sich die Informationsbeschaffung auf Personen beziehen muss, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie sich außerhalb der USA aufhalten.

US-Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) hatten nach dem Bekanntwerden erster Details über das NSA-Lauschprogramm und die Hilfsdienste Privater zunächst Klagen gegen größere US-Telcos eingereicht. Für den Direktor des Electronic Privacy Information Center (EPIC), Marc Rotenberg, deutet die Reichweite der Immunitätsklausel im Senatsentwurf nun aber auch auf das Ausmaß der bereits geltenden Befugnisse der Sicherheitsbehörden hin. Geht es nach Senator John Rockefeller, einem der hauptsächlichen Befürworter des Vorhabens aus den Reihen der Demokraten, sollten "private Firmen, welche rechtliche Zusicherungen von den höchsten Regierungsebenen erhalten haben, für ihre Hilfe im Bereich der inneren Sicherheit "nicht durch die Gerichte geschleppt werden". Die Last der Verantwortung liege auf der Bush-Regierung. Diese müsse gewährleisten, dass Auskunftsbegehren auf einer starken rechtlichen Basis stehen. Zuvor hatten mehrere TK-Anbieter wie AT&T oder Verizon ähnlich argumentiert.

Der Gesetzesentwurf soll im Senat nun als nächstes vom Rechtsausschuss beraten werden. Führende Mitglieder des Gremiums sind derzeit empört, dass ihnen die US-Regierung nach wie vor Einblicke in den Umfang des Schnüffelprogramms im Anti-Terrorkampf vorenthält. Sie werfen dem Weißen Haus vor, dem Geheimdienstausschuss entsprechende Unterlagen im Rahmen eines Deals übergeben zu haben, wonach dieser die Forderung von US-Präsident George W. Bush nach Straffreiheit für die Hilfssheriffs mit zu tragen habe. Der Vorsitzende des Justizausschusses, der Demokrat Patrick Leahy, sowie der führende Republikaner des Gremiums, Arlen Specter, haben eine solche Vereinbarung als "inakzeptabel" kritisiert. Sie verlangten die Herausgabe der von der US-Regierung als Staatsgeheimnis behandelten Dokumente und drohten damit, das Gesetz andernfalls in Gefahr zu bringen.

Eine Sprecherin des Weißen Hauses hat eingeräumt, dass es einen entsprechenden Kuhhandel mit dem Geheimdienstausschuss des Senats gegeben habe. Nachdem leitende Mitglieder des Gremiums ihre "Bereitschaft" gezeigt hätten, auf die Bedingungen Bushs einzugehen, habe man ihnen Einsicht in die gewünschten Akten gewährt. Aus dem Ausschuss ist dagegen zu vernehmen, dass dessen Spitze sich erst für die besonders umstrittene Klausel ausgesprochen habe, nachdem diese anhand der Unterlagen gerechtfertigt schien. Nach geltendem US-Recht können Firmen für Schnüffeldienste nicht haftbar gemacht werden, wenn ihnen eine schriftliche Bestätigung der Regierung vorliegt, dass etwa eine Abhörmaßnahme keines Richterbeschlusses bedarf.

Die Meinungen im Senat zur FISA-Novelle gehen weit auseinander. Der Demokrat Christopher Dodd, der auch im Rennen um die Präsidentschaftswahl in 2008 dabei ist, will auf jeden Fall verhindern, dass Private für ihre Kooperation mit dem "illegalen" Lauschprogramm der Regierung nicht belangt werden dürfen. Er wolle alles in seinen Kräften stehende tun, um die Bush-Agenda der Heimlichtuerei und Täuschung zu stoppen. Ähnlich hat sich sein Parteikollege Russel Feingold geäußert. Das Lauschprogramm hat für ihn keine legitime Basis im geltenden Recht. Der republikanische Senator Orrin Hatch bleibt dagegen bei seiner Ansicht, dass die Überwachungsaktivitäten rechtmäßig "waren und sind". (Stefan Krempl) / (jk)