Italiens Blogger laufen gegen Kommunikationsgesetz Sturm

Proteste aus der italienischen Blogosphäre werden wohl einen Gesetzesvorschlag kippen, der Bloggern gleiche regulatorische Auflagen macht wie Herausgebern von Tageszeitungen.

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In der italienischen Blogosphäre rumort es kräftig. Sorgen macht den engagierten Italo-Bloggern ein Gesetzesvorschlag der Regierung Prodi, der in seiner aktuellen Fassung Bloggern ähnlich hohe regulatorische Auflagen macht wie Herausgebern und Journalisten professioneller Publikationen – und sie damit auch einem hohen Haftungsrisiko aussetzt. Die Blogger sehen darin einen Maulkorb der Regierung und den Tod des freien Internets in Italien.

Im Chor der protestierenden Blogosphäre singt eine der mächtigsten Stimmen jenseit des publizistischen Mainstreams Italiens mit: der Komiker und Blogger Beppe Grillo, der mit einer Kampagne für mehr Transparenz und weniger Korruption in der italienischen Politik kämpft. Die 1-Mann-APO füllt große Konzerthallen, führt ein beliebtes Blog und rüttelt das politische Establishment Italiens bei jeder Gelegenheit ordentlich durch. Grillo ist in Italien überaus populär und längst eine Stimme, die auch ein Minister nicht mehr ignorieren kann. Am "V-day" (das "V" steht für "vaffanculo", was mit "Leck mich" unzureichend übersetzt ist) kamen in Bologna 50.000 Menschen zusammen, um Grillo zuzuhören.

In der vorgesehenen Fassung verlangt das umstrittene Gesetz von allen Anbietern, die Inhalte im Netz oder über andere Medien verbreiten, sich bei der italienischen Regulierungsbehörde für Kommunikation als publizistischer Anbieter zu registrieren – unabhängig davon, ob sie gewerblich im Netz unterwegs sind oder nicht. Für die gebührenpflichtige Registrierung müssen Unterlagen beigebracht werden. Ein Teenie-Blog auf MySpace müsste sich in Italien ebenso bei der Regulierungsbehörde anmelden wie eine Tageszeitung oder ein Fernsehsender, bemängeln Kritiker die mangelnde Präzision des Vorschlags. Darüber hinaus könnten Blogger im Ernstfall ebenso für Beiträge oder Kommentare haftbar gemacht werden.

Der Blogger-Protest zeigt Wirkung. Der Gesetzesvorschlag, der von Prodis Kabinett am 12. Oktober abgesegnet wurde, dürfte nach allgemeiner Erwartung in dieser Form nicht durch das Parlament kommen und in Kraft treten. Ricardo Franco Levi, der für die Presse zuständige Staatssekretär in Prodis Regierung und einer der maßgeblichen Autoren des Gesetzes, beschwichtigt die Kritiker, es ginge nur um eine einfache Regulierungsmaßnahme, die nötige Abgrenzung werde die Regulierungsbehörde dann schon übernehmen. Doch rücken bereits Kabinettsmitglieder von dem Vorhaben ab.

Infrastrukturminister Antonio DiPietro ist der Meinung, dieses "freiheitsraubende" Gesetz müsse sofort gestoppt werden. Der bloggende Minister beklagt sich, dass die Vorlage im Kabinett als Routineangelegenheit eingebracht und ohne Diskussion durchgewinkt wurde. Auch sein für den Kommunikationsbereich zuständiger Kollege Paolo Gentiloni räumt ein, dass der Gesetzesvorschlag einer Korrektur bedarf.

Beppe Grillo ist für den Ernstfall gerüstet. Sollte das Gesetz wider Erwarten in dieser Form das Parlament passieren, werden "99 Prozent" aller italienischen Blogs tot sein, meint der Komiker. Er will aber weitermachen und sein Blog notfalls mitsamt Server ins Ausland verlegen – "in einen demokratischen Staat". (vbr)