Österreich: Kündigung eines Lehrlings per SMS ist unzulässig

Ein Arbeitgeber in Wien hatte einer Auszubildenden per SMS gekündigt. Dies hat der Oberste Gerichtshof jetzt für unzulässig erklärt.

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Die Kündigung eines Lehrverhältnisses mittels SMS ist in Österreich unwirksam. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) des Landes rechtskräftig festgestellt (9 ObA 96/07v). Eine Erklärung per SMS genügt nämlich nicht der Schriftform, da die Unterschrift fehlt. Außerdem sprach der OGH aus, dass Urlaubsanordnungen per SMS ebenfalls unwirksam sind. Urlaube sind nämlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren, eine einseitige "Verordnung" ist nicht zulässig.

Zur Rechtswirksamkeit der Kündigung eines Lehrverhältnisses ist in Österreich gemäß Paragraf 15 Berufsausbildungsgesetz (BAG) die Schriftform erforderlich. Das erfordert in der Regel die eigenhändige Unterschrift unter dem Text. Ziel der Vorschrift ist, "eine der Ausbildung nicht zuträgliche Fluktuation hintanzuhalten und unbedachte Schritte zur Unterbrechung oder Aufgabe einer Ausbildung, insbesondere bei Jugendlichen im Pubertätsalter, zu vermeiden." Lehrverhältnisse können jedoch während der ersten drei Monate von beiden Seiten jederzeit aufgelöst werden, wobei aber ebenfalls die Schriftform zu wahren ist.

Eine in einer Werbeagentur beschäftigte, volljährige Wiener Auszubildende, Jessica F., hatte Stunden vor Ablauf des dritten Beschäftigungsmonats am 30. November 2005 eine SMS von ihrem Chef mit folgendem Text erhalten: "Muss dich (sic) mit heutigem Tag kündigen. Können wir aber wahrscheinlich widerrufen, wenn ich ihn Wien bin. Liebe Grüße Bernd." Bei einem persönlichen Treffen fünf Tage später wurde die Kündigung allerdings nicht widerrufen. Die Auszubildende klagte auf Schadenersatz, da ihr keine Lehrlingsentschädigung mehr bezahlt wurde, und bekam in allen drei Instanzen recht. "Da bei einer schlichten SMS keine eigenhändige Unterschrift vorliegt, genügt eine Auflösungserklärung nach Paragraf 15 Absatz 1 BAG per SMS nicht, um das Lehrverhältnis rechtswirksam aufzulösen", schreibt der OGH in der Begründung der Entscheidung. F. hat daher Anspruch auf Schadenersatz. Inklusive Verfahrenskosten muss der Ex-Chef über 11.000 Euro bezahlen.

Auf andere Arbeitsverhältnisse, die keine Lehrverhältnisse sind, lässt sich die Entscheidung nur bedingt umlegen. Wie Experten der Arbeiterkammer Wien gegenüber heise online erläuterten, gibt es nämlich in Österreich im Allgemeinen kein Schriftformgebot für Arbeitsverträge oder deren Auflösung. Nur in einzelnen Kollektivverträgen sind besondere Formgebote für Kündigungen vorgesehen. Die Arbeiterkammer Wien hat auch die Auszubildende in ihrem Rechtsstreit unterstützt.

In Deutschland ist die Rechtslage anders. Paragraf 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches lautet: "Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen." Entsprechend entschied die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm im Sommer 2007 rechtskräftig (10 Sa 512/07), dass ein Arbeitsverhältnis weder durch den Arbeitnehmer noch durch den Arbeitgeber wirksam mittels SMS beendet werden kann. Mangels Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform sind solche Erklärungen unwirksam.

F.'s Arbeitgeber setzte SMS offenbar häufiger als Managementtool ein. An einem Freitagabend in nämlichem November wurde die Auszubildende per Kurzmitteilung informiert, dass sie in der nächsten Woche nicht zur Arbeit kommen brauche, da "Betriebsurlaub" sei. "Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht einseitig 'auf Urlaub schicken'", so der OGH, "Die Zustimmung zu einem allfälligen 'Betriebsurlaub' muss der Arbeitgeber von jedem einzelnen Arbeitnehmer einholen." (Daniel AJ Sokolov) (bo)