US-Filmindustrie will Kontrolle über HD-Sendungen

Die US-Regulierungsbehörde FCC soll auf Antrag der MPAA das Verbot für ein technisches Kontrollverfahren lockern, mit dem zum Beispiel analoge Geräte von der Verarbeitung eines HD-Signals ausgeschlossen werden können.

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Irgendwie kann man die Paranoia der Filmindustrie verstehen. "The Dark Knight" ist kaum in den US-Kinos angelaufen, da gibt es die ersten Kopien im Netz. Abgefilmt von der Leinwand und mit mäßiger Bildqualität, aber es ist der neue Batman für die Festplatte. Abgesehen von der Frage, warum sich jemand einen teilweise im IMAX-Format gedrehten Film freiwillig in einer verstümmelten Download-Version antun sollte, illustriert der neue Batman-Torrent das nicht wegzudiskutierende Filesharing-Problem der Filmbranche. Allerdings kann sich in diesem Fall niemand ernsthaft über Einnahmeausfälle beklagen: "The Dark Knight" hat in den USA alle Kassenrekorde gebrochen und in den ersten drei Tagen des vergangenen Wochenendes mehr als 155 Millionen US-Dollar eingespielt.

Oft genug bricht die Sicherheitskette schon vor dem Kinostart: Auf DVD verschickte Rezensionsexemplare oder Filmkopien direkt aus dem Kopierwerk dienen als Ausgangsmaterial für qualitativ hochwertige Raubkopien. Nun will die US-Filmindustrie eine andere mögliche Quelle versiegeln, bevor sie überhaupt erschlossen ist. Der Branchenverband Motion Picture Association of America (MPAA) hat bei der zuständigen Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) die Lockerung des Verbots einer Schutztechnik beantragt, mit der digital verbreitete TV-Signale für bestimmte Formate gesperrt werden können.

Hintergrund sind Überlegungen der Filmindustrie, ein zusätzliches Verwertungsfenster schon kurz nach der Kinoauswertung zu etablieren. Die Branche will Kinofilme im HD-Format über Video-on-Demand- oder Pay-per-View-Plattformen und andere Premiumdienste im digitalen Kabel ausstrahlen. Zum Schutz der Programme soll nach Vorstellung der MPAA ein Verfahren namens Selectable Output Control (SOC) zum Einsatz kommen, das nach FCC-Regeln derzeit verboten ist. Die Filmstudios wollen so das "analoge Loch" stopfen, durch das ihre Inhalte immer wieder in Piratenhände geraten. Mit SOC kann der Urheber die Verwendung des Signals kontrollieren und zum Beispiel die Ausgabe über analoge Anschlüsse unterbinden. Das HD-Programm könnte per SOC also über die kopiergeschützte HD-Schnittstelle HDCP gezwungen werden. Das könnte allerdings auch bedeuten, dass sämtliche analoge Komponenten im Haushalt der Verbrauchers von dem neuen Angebot ausgeschlossen bleiben.

Könnte. Denn bisher ist noch völlig unklar, was die Branche mit SOC eigentlich vorhat. "Ich glaube, das ist noch niemandem so richtig klar", meint Art Brodsky von der Organisation Public Knowledge. "Das ist Teil des Problems." Zudem wird das Thema HDCP in den USA noch deutlich kontroverser diskutiert als hierzulande. Während europäische HD-Fernseher kaum ohne HDCP-geschützte HDMI-Schnittstelle zu haben sind, wird der Kopierschutz bei weitem nicht in allen US-Geräten verbaut. Abgesehen von den schwammigen Vorstellungen der Filmindustrie kritisieren Gegner des MPAA-Antrags auch die möglichen Konsequenzen für Verbraucher, die gerade ein HD-Gerät gekauft haben, das den Anforderungen der neuen Sendeformate dann schon nicht mehr genügt. Darüber hinaus machten Meldungen die Runde, dass die Aufzeichnung der Programme mit einem digitalen Recorder mit SOC unterbunden werden soll.

Das beeilte sich die MPAA zu dementieren. "Was wir wollen, hat mit DVR-Beschränkungen nichts zu tun", erklärte eine Sprecherin des Verbands gegenüber heise online. Es gehe nicht um weniger, sondern mehr Möglichkeiten. Die Studios wollten mehr potenzielle Zuschauer für Filmpremieren erreichen, HD sei dafür das geeignete Format und biete die notwendigen Schutzvorrichtungen. Wie SOC genutzt werden soll, verrät die MPAA bisher allerdings nicht. Das sei vor allem Sache der jeweiligen Verträge zwischen Filmverleih und Kabel-, Sat- oder IPTV-Anbieter; diese Verträge könnten auch für jeden Film individuelle Regelungen enthalten. Ein Mitschneideverbot schließt dieses Szenario allerdings nicht aus. Doch mache die MPAA nicht die Verträge, heisst es aus dem Washingtoner MPAA-Büro, mit dem Antrag auf SOC-Freigabe wolle der Verband nur den Marktplatz bereiten.

Viel zu vage sind die Pläne nicht nur nach Ansicht der Kritiker aus Bürgerrechtsgruppen und Elektronikbranche, die erhebliche Einschränkungen bei der Nutzung ihrer Produkte fürchtet. Auch die Vereinigung der US-Kinobesitzer (National Association of Theatre Owners, NATO) – in Sachen Anti-Piraterie-Maßnamen sonst stets eng an der Seite der MPAA – hat erhebliche Bedenken gegen das neue Geschäftsmodell der Studios. Eine Auswertung im Premium-TV kurz nach Kinostart könnte die prekäre Lage der Theaterbesitzer weiter verschärfen und für zahlreiche Nachbarschaftskinos das Aus bedeuten, fürchten die Kinobetreiber. Wieder könnte: Der NATO war die Beschreibung des neuen Geschäftsmodells zu ungenau. Die Theaterbetreiber forderten mehr Zeit, um das komplexe Thema angemessen zu erörtern. Sie wurde ihnen gewährt.

Die FCC verlängerte die Frist für Stellungnahmen bis zum heutigen Montag. Die MPAA hat nun Zeit bis zum 31. Juli, auf die zahlreichen Stellungnahmen und Kommentare zu reagieren. Man darf gespannt sein, wie die Filmindustrie den verschiedenen Befürchtungen der Kritiker begegnet – und wie sich die FCC schließlich entscheiden wird. Von der FCC hängt damit ab, ob die Filmbranche so etwas wie eine kleine Revolution wagt: ein neues Verleihfenster in der Verwertungskette. Das dürfte vor allem zu Lasten der Videotheken gehen. Doch noch ist es offenbar zu früh, darüber zu reden. Die Verbände der deutschen Filmverleiher und Videothekenbetreiber wollten dazu zumindest nichts sagen. (vbr)