PRISM: Europäer drängen auf Aufklärung

Sowohl Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als auch EU-Kommissarin Viviane Reding haben sich in Briefen an den US-Justizminister Eric Holder gewandt. Sie wollen Antworten zum Überwachungsprogramm Prism.

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Der Druck auf die US-Regierung wegen der massiven Netzschnüffelei ihrer Geheimdienste nimmt zu: Sowohl die EU-Kommission als auch die deutsche Bundesregierung haben sich mit der Forderung nach umfassender Aufklärung an den US-Justizminister Eric Holder gewandt.

Die Bundesjustizministerin will Antworten von der US-Regierung zu PRISM.

(Bild: dpa, Wolfgang Kumm)

"Ich habe an meinen Kollegen (...) geschrieben und ihn um Auskunft gebeten über die Rechtsgrundlage, über die Rechtsfragen und über die Praxis", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger laut dpa am Mittwoch. "Wir müssen jetzt alles tun, um möglichst viele Fakten zu erfahren." Sie habe die Berichterstattung mit großer Sorge zur Kenntnis genommen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger weiter.

Es gehe möglicherweise um einen massiven Zugriff auf Telekommunikations-Daten ohne Anlass. Daher müsse zuerst der Sachverhalt in Deutschland klar dargelegt werden und aufgeklärt werden, was passiere. Die Bürger in Deutschland verließen sich auf vertrauensvolle Kommunikation. In einem Gastbeitrag auf Spiegel Online bezeichnete Schnarrenberger den Verdacht der Kommunikationsüberwachung als"so besorgniserregend, dass er nicht im Raum stehen bleiben darf".

Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) soll bereits einen Fragenkatalog an die USA geschickt haben. Das Innenministerium will von den USA wissen, in welchem Umfang und auf welcher Grundlage Daten gesammelt worden seien.

Die für Justiz zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding wandte sich ebenfalls per Brief an Holder. Darin fordert sie laut Bericht des Guardian, detaillierte Antworten bis zum gemeinsamen Treffen Holders mit den europäischen Justizministern am Freitag in Dublin. In ihrem Brief formuliert sie sieben Fragen, unter anderem, ob das Prism-Programm speziell auf Nicht-US-Bürger abziele und welche Möglichkeiten Bürger der EU und dort ansässige Firmen hätten, gegen eine eventuelle Sammlung und Auswertung ihrer Daten anzugehen.

Auch in den USA formiert sich der Widerstand gegen das umfangreiche Überwachungs-Programm. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union reichte eine Klage gegen die Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten ein. Der Firefox-Entwickler Mozilla startete mit Rückendeckung von Bürgerrechtsaktivisten und anderen Firmen die Kampagne "Stop Watching Us" (Hört auf, uns zu beobachten). Sie sammeln im Internet Unterschriften unter einen offenen Brief an den US-Kongress. Unterdessen haben acht US-Senatoren beider Parteien ein Gesetz vorgelegt, das die juristischen Hintergründe des Spionageprogramms aufklären soll.

Die Zeitungen Guardian und Washington Post hatten mit Hilfe des Whistleblowers Edward Snowden das Programm mit dem Codenamen Prism aufgedeckt. Demnach soll der US-Geheimdienst NSA unter anderem massenhaft Nutzer-Daten von Unternehmen wie Google, Yahoo, Microsoft, Apple oder Facebook sammeln und analysieren. Die Unternehmen bestreiten einen direkten Zugriff der Behörden auf ihre Server.

Inzwischen bitten die Internetfirmen die US-Behörden um Erlaubnis, Details über die an Geheimdienste übergebenen Daten veröffentlichen zu können – dem Vorstoß von Google schlossen sich Microsoft, Twitter und Facebook an. Damit soll dem Verdacht entgegengewirkt werden, den Geheimdiensten uneingeschränkt Zugang zu seinen Systemen gewährt zu haben. Google betonte zudem, dass angeforderte Informationen immer nur vom Unternehmen selbst übermittelt würden. Dafür werde meist eine sichere FTP-Serververbindung genutzt, manchmal würden sie auch bei persönlichen Treffen übergeben, sagte ein Google-Sprecher dem Wall Street Journal-Blog Digits.

Edward Snowden brachte die großangelegte Internet-Spionage der US-Regierung in die Öffentlichkeit.

(Bild: dpa, Guardian/Glenn Greenwald/Laura Poitras)

Der bereits vor der Aufdeckung nach Hongkong abgetauchte Whistleblower Snowden sieht sich selber als Patriot. "Ich bin weder Verräter noch Held. Ich bin ein Amerikaner", sagte der 29-jährige am Mittwoch in einem Interview der Zeitung South China Morning Post. Und er fügte hinzu: "Ich bin nicht hier, um mich vor der Gerechtigkeit zu verstecken. Ich bin hier, um Verbrechertum zu enthüllen"

Er muss damit rechnen, dass die USA ihn wegen Geheimnisverrats anklagen und die Auslieferung aus Hongkong beantragen. Er baut auf das Rechtssystem der heute autonom regierten chinesischen Sonderverwaltungsregion. "Ich habe viele Gelegenheiten gehabt, aus Hongkong zu fliehen, aber ich bleibe lieber und kämpfe vor Gericht gegen die US-Regierung, weil ich Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit Hongkongs habe", sagte Snowden laut ersten Auszügen aus dem Interview. (Mit Material von dpa) / (axk)