Mini-Drohne im Plenarsaal: Wikipedia fotografiert Landtag

Wikipedia tourt durch deutsche Landtage: Das Online-Lexikon fotografiert Abgeordnete und schickt Foto-Drohnen durch den Plenarsaal.

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Von
  • Iris Leithold
  • dpa

Wikipedia tourt durch deutsche Landtage: Das Online-Lexikon fotografiert Abgeordnete und schickt Foto-Drohnen durch den Plenarsaal.

In Ausgabe 3/13 der c't Fotografie finden Sie einen ausführlichen Artikel über Foto-Drohnen. Der knapp 16-seitige Artikel kann auch separat gekauft werden.

Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) steht frisch gepudert zwischen weißen Fotoschirmen im Schweriner Schloss und lächelt in die Kamera von Stefan Hinni. Der Schweizer Hobby-Fotograf hat sein eigenes mobiles Studio in den deutschen Norden mitgebracht, auch die Kamera ist seine eigene. Für die Reise nach Schwerin hat er Urlaub genommen, wie alle in der rund 45-köpfigen Truppe des Online-Lexikons Wikipedia. Der Auftrag lautet: Landtagsabgeordnete und markante Gebäude der Landeshauptstadt für Wikipedia abzulichten.

Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist der erste, der das Befliegen des Plenarsaals erlaubt

(Bild: dpa)

Sie kommen aus Melle bei Osnabrück, Rostock oder Wien und gehören zur Wikipedia-Community. Rund 5000 Menschen in Deutschland arbeiten mehr oder weniger regelmäßig an der Erweiterung und Aktualisierung von Einträgen, sagt Oliver Abels. Der Software-Entwickler aus Wiesbaden investiert pro Woche zehn bis zwölf Stunden Freizeit in das Internet-Nachschlagewerk. Er ist bei vier der neun Reisen in deutsche Landtage binnen eines Jahres dabei. Im Dezember 2012 hat das Projekt laut Organisator Olaf Kosinsky begonnen. Gerade ist Mecklenburg-Vorpommern dran.

Zwei Tage lang wirbeln die Wikipedianer, wie sie sich selber nennen, durch das Schweriner Schloss, in dem der Landtag seinen Sitz hat. Am Mittwoch sitzt ein Abgeordneter nach dem anderen vor der Kamera, junge Frauen schminken die Politiker zuvor. Auf den Donnerstag freut sich Kosinsky wie ein Kind. Zwei Mini-Flugdrohnen sind gebucht und werden das Schweriner Schloss, das nach dem Willen des Landes und der Landeshauptstadt auf die Unesco-Welterbeliste soll, von innen und außen aufnehmen.

Am frühen Morgen, vor der Landtagssitzung, sollen die Oktokopter (Achtflügler) im Plenarsaal aufsteigen. Einer ist mit einem Fotoapparat, der andere mit Videokamera ausgerüstet. "Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist der erste, der uns das Befliegen des Plenarsaals erlaubt", sagt Kosinsky. "Das ist das totale Highlight." Auch in der Schlosskirche und im Dom sollen die Drohnen fliegen. Für die Außenaufnahmen hat das Wirtschaftsministerium als Landesluftfahrtbehörde eine Genehmigung erteilt.

Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) findet das Wikipedia-Projekt wichtig, wie sie sagt, und nützlich für den Landtag und seine Abgeordneten. "Wir müssen als Landespolitik die modernen Medien nutzen", erklärt sie. Der Landtag habe ein Interesse an aktuellen Informationen und guten Fotos in den Wikipedia-Artikeln.

Warum betreibt Wikipedia diesen Aufwand? Von jedem Abgeordneten gibt es schließlich genügend Fotos, auch offizielle. "Das ist auch eine Frage der Rechte", sagt Hinni. Professionelle Fotografen seien oft nicht bereit, auf ihre Rechte am Bild zu verzichten. Das sei bei Wikipedia aber wichtig. Die Fotografen der Community bekommen kein Geld für ihre Aufnahmen und freuen sich daran, ihr Foto in Wikipedia zu sehen, wie Ralf Bösch aus Bülkau bei Cuxhaven sagt. Dort stehe es so lange, bis jemand ein besseres hineinstellt.

Der Spaß am gemeinsamen Projekt ist der Hauptantrieb der Wikipedianer, wie sie sagen. Sie organisieren regionale Treffen von Community-Mitstreitern und Workshops zur eigenen Professionalisierung. "Das ist wie eine große Familie", sagt der Schweizer Hinni. Der Rostocker Student Jonas Rogowski fotografiert für Wikipedia vor allem Metal-Bands. Am Mittwoch sind es eben Politiker. "Ich nutze Wikipedia selber sehr viel", sagt er zu seiner Motivation. "Und hier kann ich etwas dazu beitragen." (keh)