Wer braucht noch Verlage?

Der Schriftsteller Hugh Howey veröffentlichte seinen Science-Fiction- Roman „Silo“ ganz ohne Verlag, direkt auf dem Kindle – und landete mit 500000 verkauften Exemplaren einen Weltbestseller, an dem auch Hollywood Interesse hat. Macht Technik die Verlage überflüssig?

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Von
  • Jens Lubbadeh

Der Schriftsteller Hugh Howey veröffentlichte seinen Science-Fiction-Roman „Silo“ ganz ohne Verlag, direkt auf dem Kindle – und landete mit 500000 verkauften Exemplaren einen Weltbestseller, an dem auch Hollywood Interesse hat. Macht Technik die Verlage überflüssig?

TR: Herr Howey, in „Silo“ erzählen Sie keine besonders fröhliche Geschichte. Sehr amüsant war aber, dass der Bösewicht der IT-Chef war, ein Nerd. In Filmen oder Büchern sind die normalerweise nur die Handlanger. Mögen Sie keine Nerds?

Hugh Howey (lacht): Der Grund ist eher, dass ich früher in einem Computerreparatur-Laden gearbeitet habe und mir klar wurde, wie wichtig Internet und Technologie für die Welt geworden sind. Wenn du eine Gesellschaft kontrollieren willst, reichen Geld und Macht heute nicht mehr. Die dystopische Welt von „Silo“ beherrschen diejenigen, die den Informationsfluss und die Bücher kontrollieren. George Orwell hat damit schon in „1984“ gespielt: Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert auch die Gegenwart. Das war meine Inspiration.

Dann sind Sie also kein besonders großer Fan von Google?

Doch, ich bin ein Riesenfan von Google! Aber ich bin eben ein Riesenoptimist. Ich glaube, dass die Welt mit jeder Generation besser wird. Nur: Optimismus produziert keine interessanten Schlagzeilen und Bücher. Daher schildere ich einen wesentlich pessimistischeren Blick auf die Welt, als ich ihn eigentlich habe.

Die Menschen in den unterirdischen Silos können die Außenwelt nur über einen Bildschirm sehen. Ist Google nicht für uns dieser Bildschirm?

Ja, das stimmt wohl. Allerdings dachte ich beim Schreiben eher an 24-Stunden-Nachrichtensender. Ich bin überzeugt, wenn die zeigen würden, wie die Welt wirklich ist, würden die Leute gelangweilt abschalten. Die Nachrichten zeigen dir keine alltäglichen Dinge, sondern nur Verbrechen, Autounfälle und Katastrophen. Als ich „Silo“ schrieb, fragte ich mich, was das wohl mit uns macht, wenn wir glauben, die Welt sei so. Haben wir dann überhaupt noch Lust hinauszugehen? Aber natürlich beeinflusst uns auch Google sehr stark. Trotzdem bin ich erstaunt, dass Google seine Macht nicht viel mehr ausnutzt. Früher waren Konzerne und Regierungen doch viel dreister.

Werden Sie sich die Google Glass kaufen – den allerneuesten Google-Bildschirm?

Ja, vielleicht schon – weil ich ein Futurist bin und mich für Science-Fiction interessiere. Nach meinem Empfinden würdigen die Leute es nicht genügend, wie sehr Technologie unser Leben verändert. Nun haben wir also bald dieses Gerät, mit dem wir unsere besten und schlechtesten Momente festhalten können. Was das mit uns machen wird, weiß ich nicht. Und ich gebe zu: Das ist auch ein wenig unheimlich.

Technik hat Schriftsteller immer wieder beeinflusst. Jack Kerouac klebte einzelne Blätter zu einer langen Rolle zusammen, konnte so ohne Unterbrechung „On the Road“ im Stil des Stream-of-Consciousness tippen. Und in ihrem Buch „A Visit From The Goon Squad“ erzählt Autorin Jennifer Egan ein Kapitel in Form einer Powerpoint-Präsentation. Umgekehrt aber scheinen sich Autoren kaum dafür zu interessieren, wie ihre Geschichten in neuen Medien wirken, oder?

Es stimmt, eine Geschichte sieht auf einem E-Reader ziemlich genauso aus wie in einem Buch. Die meisten interessiert nur, wie Technik ihnen das Schreiben erleichtern kann, als dass sie sich der Technik anpassen würden. Sie lieben Google für die Recherchemöglichkeiten, schauen sich auf Street View fremde Städte an, ohne dorthin fliegen zu müssen, und können so bequem ein wenig Lokalkolorit in ihre Storys einfließen lassen.

Die heutige Generation Schriftsteller hat sich einfach irgendwann in das Buch verliebt. Sie träumen nicht davon, eine Geschichte zu schreiben oder sie an einem Lagerfeuer zu erzählen. Sie träumen von ihrem Buch, das der Leser am Strand liest oder das in einem Laden steht. Ich bin mit dem Lesen am Bildschirm aufgewachsen, da ging es nur um die Geschichte. Der beste Weg, heutzutage eine Geschichte an den Leser auszuliefern, ist der digitale. Er ist besser für die Umwelt und für den Leser. Künftige Autoren werden davon träumen, ihre Geschichte zu veröffentlichen – auf welchem Wege auch immer.

(jlu)