Scharfe Kritik an Bayerns Gesetzesentwurf zu heimlichen Online-Durchsuchungen

Der Branchenverband Bitkom sieht die Gefahr, dass mit der geplanten Novelle des bayerischen Verfassungsschutzgesetzes auch verdeckte Online-Durchsuchungen von E-Mail-Servern und Rechnern in Unternehmen möglich wären.

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Der Bitkom sieht den umstrittenen Entwurf zur Änderung des bayerischen Verfassungsschutzgesetzes skeptisch. Für deutlich zu weit gestrickt hält der IT-Branchenverband etwa die Klausel zu heimlichen Online-Durchsuchungen. Es bestehe die Gefahr, dass entsprechende Spitzelmaßnahmen auch gegen E-Mail-Server und vernetzte Rechnerstrukturen in Unternehmen gerichtet werden könnten, schreibt die Lobbyvereinigung in einer heise online vorliegenden Stellungnahme.

Anlass zu dieser Sorge gebe eine Befugnisnorm, die Online-Razzien auch gegen "Nachrichtenmittler" vorsehe und diesen schwammigen Begriff auf jegliche Arten "informationstechnischer Systeme" beziehe. Dieser Ansatz widerspricht aus Sicht des Bitkom dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem sei die Formulierung insgesamt geeignet, das allgemeine Nutzervertrauen in IT-Systeme zu unterminieren. Die vorgesehene Befugnis könnte etwa eingesetzt werden, "um ganze Unternehmensserver verdeckt aufgrund von Verdachtsmomenten gegen einen einzelnen Mitarbeiter zu durchforsten, warnt der Verband. Einbezogen werden könnten auch Internet-Cafés oder Universitäten.

Entgegen der Auffassung der bayerischen Landesregierung ist das Vorhaben gemäß dem Bitkom auch nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu verdeckten Online-Durchsuchungen in Nordrhein-Westfalen in Einklang zu bringen. So sei es etwa notwendig, die von den Karlsruher Richtern "als zentral herausgestellte Erfordernis tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut unmittelbar in die Befugnisnorm aufzunehmen". Zudem müsse die vorgesehenen Anordungsbefugnis des bayerischen Innenministeriums für eine heimliche Online-Durchsuchung "durch einen strengen Richtervorbehalt" ersetzt werden. Der Entwurf stelle ferner nicht sicher, dass Inhalte aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung "bereits nicht erhoben werden".

Überarbeitungsbedarf sieht der Bitkom weiter bei den vorgesehenen Auskunftsrechten des bayerischen Staatsschutzes bei Bestands- und Verkehrsdaten. So müssten die Mobilfunkbetreiber die Standorte von Teilnehmern etwa sogar dann herausgeben, wenn der Nutzer keine aktive Verbindung am Laufen habe. Erfasst werden sollten auch Daten, die allein im Netz für das Routing bei einem Rufaufbau vorgehalten werden. Für diese gäbe es bislang keine Auskunftsverpflichtung. Die Provider müssten daher künftig von allen Mobilfunkteilnehmern unabhängig von einer Nutzung des Endgeräts alle Standortinformationen permanent erheben und speichern. Alternativ könnten laut dem Verband die noch in den Verzeichnissen zu bedienten Rufnummern oder eingebuchten Teilnehmern vorhandenen Daten herausgegeben werden, was aber ebenfalls nicht ohne großen Zusatzaufwand möglich wäre.

Der Streit um heimliche Online-Durchsuchungen hat derweil auch Australien erreicht. Dort bastelt die Regierung der Provinz New South Wales laut Medienberichten an einer Lizenz für die Polizei, vernetzte Computer auszuspähen. Die Begründung für die Notwendigkeit der Maßnahme ist die gleiche wie hierzulande: Die organisierte Kriminalität nutze das Internet und andere moderne Techniken, um ihre Verbrechen zu verbergen, meint der Polizeiminister der Provinz, David Campbell. Die Ermittler müssten daher ermächtigt werden, gleichsam auf Augenhöhe mit den Straftätern etwa im Bereich Kinderpornographie zu agieren.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)