Turbo-Korrektur
Mobilfunknetze eignen sich zunehmend besser fĂĽr den Internet-Zugang und mit dem Megabit-schnellen Datenturbo HSDPA schlieĂźen sie sogar zur ADSL-Technik auf. HSDPA nutzt verschiedene Verfahren, um sich an die schnell wechselnden Funkbedingungen anzupassen.
Mobilfunknetze eignen sich zunehmend besser für den Internet-Zugang und mit dem Megabit-schnellen Datenturbo HSDPA schließen sie sogar zur ADSL-Technik auf. Dass das überhaupt möglich ist, liegt an geschickt zusammengestellten Verfahren, die HSDPA nutzt, um sich an die schnell wechselnden Funkbedingungen anzupassen. Das erklärt zugleich, warum bei HSDPA-Verbindungen die maximale Datenrate nicht konstant sein kann.
Die unter dem Kürzel HSDPA zusammengefassten Verfahren stellen eine Weiterentwicklung des UMTS-Standards dar, die die Empfangsrichtung beschleunigt (High Speed Downlink Packet Access). Sie stammt vom Third Generation Partnership Project (3GPP, Release 5 of the 3G specification). Aufmerksamkeit zieht die Technik mit den hohen Datenraten auf sich, die sie auf Augenhöhe mit ADSL-Anschlüssen gebracht haben: Gegenwärtig liefern hiesige Mobilnetze je nach HSDPA-Ausbaustand bis zu 3,6 oder gar 7,2 MBit/s. Theoretisch möglich sind sogar bis zu 14,4 MBit/s. HSUPA, der Datenturbo für Senderichtung vom Teilnehmer zum Netz, ist ebenfalls spezifiziert (High Speed Uplink Packet Access). Er liefert im besten Fall bis zu 11,5 MBit/s. HSUPA und HSDPA fasst man unter der Bezeichnung HSPA zusammen (High Speed Packet Access). Beide nutzen sehr ähnliche Verfahren, sodass wir im Weiteren nur auf die Empfangsrichtung eingehen.
Déjà vu
FĂĽr Netzbetreiber ist HSDPA reizvoll, weil es als reine DatenĂĽbertragungstechnik voll kompatibel zum UMTS-Standard und der zugrunde liegenden Ăśbertragungstechnik WCDMA ist (Wideband Code Division Multiple Access). Auf dieser Basis kann eine Mobilfunkzelle sowohl Sprachverbindungen als auch schnelle Datenverbindungen im selben 5-MHz-Funkkanal vermitteln.
Die drastischen Steigerungen gegenüber der UMTS-Technik, die maximal 384 kBit/s erreicht, ergeben sich aus mehreren Verbesserungen, die manchem Beobachter ein Déjà -vu-Erlebnis bescheren: Denn die verbesserte Modulation, die adaptive Fehlerkorrektur und auch die erhöhte Kanalanzahl pro Datenverbindung wurden bereits früher beim Sprung von GPRS zu EDGE herangezogen, um die Datenrate einer Verbindung zu maximieren.
VerkĂĽrzte Fristen
Zusätzlich haben die Ingenieure die Intervalle zwischen einzelnen Datenblöcken verkürzt (Short Transmission Time Interval) und ein Fast Scheduling sowie das Fast hybrid automatic-repeat-request eingeführt (ARQ).
Empfänger, die gerade einen besseren Funkkanal rückmelden, beliefert die Basisstation mit mehr Daten. So schöpft sie die Funkbedingungen zu Gunsten aller Empfänger besser aus.
Wie UMTS, so befördert auch HSDPA die Daten mittels der Bandspreiztechnik WCDMA, Wideband Code Division Multiple Access. Die Bandspreizung verschmiert das Signal breitbandig über einen 5-MHz-Funkkanal und kompensiert so kurzfristige schmalbandige Störungen. Damit diesen breitbandigen Kanal gleichzeitig mehrere Anwender nutzen können, wird er mittels Code Division portioniert - jeder Empfänger liest nur die Daten, die mit einem für ihn bestimmten Code markiert sind (Mehrfachzugriff, Multiple Access). Andere Mehrfachzugriffsverfahren gründen auf Zeit- oder Frequenz-Division oder auch Kombinationen dieser Techniken. Weitere UMTS-Spezialitäten wie Spreizcodes, physikalische oder auch logische Kanäle sind bereits ausführlich beschrieben [1, 2].
Die Datenrate eines Übertragungskanals wird über den Spreizfaktor des Signals bestimmt. Je stärker die Spreizung, desto schmaler der Übertragungskanal und desto mehr solcher Kanäle lassen sich im 5-MHz-Funkkanal unterbringen. Sprachkanäle, die wie beim GSM-Mobilfunk 12,2 kBit/s befördern, haben einen Spreizfaktor von 128, während ein UMTS-Datenkanal mit der Datenrate von 384 kBit/s mit dem Spreizfaktor 8 angelegt wird.
GroĂźzĂĽgig knausern
HSDPA bringt nun für die Empfangsrichtung neue Hochgeschwindigkeitsdatenkanäle mit, die High Speed Downlink Shared Channels (HS-DSCH). Eine Mobilfunkzelle kann bis zu 15 dieser Kanäle in einem einzigen 5-MHz-WCDMA-Kanal aufbauen. Die Download-Daten, die für einen Mobilfunkempfänger bestimmt sind, können einem oder mehreren dieser Kanäle für eine Periode von lediglich zwei Millisekunden zugewiesen werden - danach entscheidet das Netz neu über die Zuteilung. Das erhöht die Anpassungsfähigkeit auf kurzfristige Funkstörungen, denn bei UMTS beträgt das Transmission Time Interval 10 bis 20 Millisekunden. Im Endeffekt wird die Funkressource sowohl per Code Division als auch per Time Division portioniert.
Die Durchgangszeit fĂĽr Datenpakete nimmt mit jeder neuen Mobilfunktechnik ab. Das kommt zum Beispiel VoIP-Anwendungen zugute.
Die Zuteilung der Datenkanäle erfolgt nicht per Gießkannenprinzip, sondern aufgrund von Empfängerrückmeldungen, die ihre Basisstation über die jeweils aktuelle, aber immer schwankende Funkqualität unterrichten (Fast Scheduling). Empfänger, die gerade einen besseren Funkkanal rückmelden, erhalten mehr Daten. Auf diese Weise kommen insgesamt mehr Daten fehlerlos bei den Empfängern an, aufwendige Fehlerkorrekturen werden minimiert und eine Basisstation schöpft so die Funkbedingungen zu Gunsten aller Empfänger besser aus. Eine eigens definierte minimale Datenrate (proportional fair scheduling) sorgt dafür, dass auch ungünstig postierte Empfänger noch am Tropf bleiben - etwa, wenn sie durch große Entfernung zu ihrer Basisstation stärkeren Störungen ausgesetzt sind.
Die Datenkanäle können sowohl die herkömmliche UMTS-Modulation QPSK nutzen (Quadrature Phase Shift Keying) als auch die eigens für Datenverbindungen spezifizierte, höherwertige Variante 16 QAM (16 Quadrature Amplitude Modulation). Diese verdoppelt unter guten Funkbedingungen gegenüber QPSK die Spitzenrate (pro Übertragungsschritt 4 Bit gegenüber nur 2). QPSK wird daher nur unter harschen Funkbedingungen eingesetzt.
Kalkulierte Fehler
Abhängig von der Funkqualität kann mit HSDPA nun auch die Vorwärtsfehlerkorrektur adaptiert werden (forward error correction, FEC). Bei der Vorwärtsfehlerkorrektur fügt der Sender den Nutzdaten redundante Informationen hinzu, die dem Empfänger bei fehlerhaften Übertragungen ermöglichen, den ursprünglichen Inhalt eines Datenblöckchens selbstständig zu restaurieren. Das ist unterm Strich effektiver als die zeitraubende Sendewiederholung, senkt aber den Datendurchsatz. Mittels HSDPA können die Gegenstellen nun anhand der Funkqualität den FEC-Anteil variieren. Eine 1/4-Kodierrate bedeutet, dass ein Viertel der übertragenen Bits Nutzdaten sind; drei Viertel entfallen auf die Fehlerkorrektur. Diese Kombination setzt man also bei schlechten Funkbedingungen ein. Beide Adaptierfunktionen, die Wahl der Modulation und der Fehlerkorrektur fassen die 3GPP-Entwickler unter dem Begriff "fast link adaptation" zusammen.
Handys, Modems oder Router der ersten Generation können nur bis zu fünf HS-DSCH-Kanäle für bis zu 3,6 MBit/s verarbeiten. Erst Geräte der zweiten Generation sollen dann 10 bis 15 Kanäle verarbeiten können. In der Praxis erwartet man, dass sie Datenraten bis 10,7 MBit/s erreichen; dass eine Funkverbindung ausreichende Qualität für eine 4/4-Kodierrate aufweist, also ohne FEC auskommt, dürfte in der Praxis kaum vorkommen.
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Zuvorkommende Wiederholung
Das als Fast Hybrid Automatic Repeat Request bezeichnete Verfahren (Fast Hybrid ARQ) kombiniert Sendewiederholungen und normale Datenpaketaussendungen. So beschleunigt das Mobilnetz die Fehlerkorrektur und erhöht die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Übertragungen. Das Prädikat "Fast" haben die Ingenieure vorangestellt, weil diese Funktion bereits die Basisstation (Node-B) selbst ausführt und nicht wie bei GPRS und EDGE ein dahinter positioniertes Netzelement (der Base Station Controller). Das verkürzt ebenfalls die Reaktionszeit im Fehlerfall und erhöht so den Durchsatz.
Zusätzlich senkt HSDPA die Übertragungsdauer der Signale innerhalb des Mobilnetzes. So soll die Latenz gegenüber EDGE von 400 ms auf bis zu 100 ms sinken. Das dürfte synchronen Anwendungen wie VoIP zugutekommen. Allerdings muss man beachten, dass es bei Datenübertragungen anders als bei UMTS-vermittelten Sprachverbindungen kein Soft-Handover gibt. Beim Soft-Handover profitiert ein mobiler Empfänger davon, dass seine Verbindung gleichzeitig mehrere Basisstationen aufrechterhalten, und so kann er sich bei Telefonieverbindungen vollkommen gleitend und ohne Verbindungsverlust im Mobilnetz bewegen. Datenverbindungen wechseln hingegen die Mobilzelle per Hard Handover, die Übertragung setzt kurz aus. Wenn solche Aussetzer wegen ausgelasteten Steuerelementen länger dauern, wird man schwankende Verzögerungen der Datenübertragung bei mobilen VoIP verzeichnen (Jitter).
Ausblick
Jüngere Basisstationen lassen sich einfach per Software auf HSDPA aufrüsten. Den Mobilnetzbetreibern steht damit ein preisgünstiges Breitbandverfahren für den Internet-Zugang zur Verfügung - vielleicht eine gute Erklärung dafür, warum sich hierzulande kein Mobilnetzanbieter für den - deutlich teureren - Aufbau von Wimax-Netzen interessiert, die ja durchaus auch auf die mobile Versorgung von Notebooks und Wimax-Handys zugeschnitten sein können. (dz)
Literatur
| [1] Technische Darstellung diverser Mobilfunkverfahren, umtslink.at |
| [2] 3GPP-Spezifikationen, www.3gpp.org/specs/titles-numbers.htm |
| Rudolf Opitz, UMTS aufgebohrt, Wie die UMTS-Netze schneller werden, www.heise.de/mobil/artikel/88713/ |
| Rudolf Opitz, GSM-Renner, EDGE: schnelles Internet auch ohne UMTS, www.heise.de/mobil/artikel/75359/ |