Ärzte-Bewertungsportale im Internet boomen

Wer einen Arzt sucht, will oft nicht nur Telefonnummer und Adresse, sondern auch etwas über dessen fachliche und menschliche Qualitäten wissen. Dieses Bedürfnis versuchen immer mehr werbefinanzierte Bewertungsportale im Internet zu befriedigen.

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Von
  • Christof Kerkmann
  • dpa

Wer einen Arzt sucht, kann in den Gelben Seiten nachschlagen oder die Ärztekammer anrufen. Viele wollen jedoch nicht nur Telefonnummer und Adresse, sondern auch etwas über fachliche und menschliche Qualitäten eines Arztes wissen. Dieses Bedürfnis versuchen immer mehr werbefinanzierte Bewertungsportale im Internet zu befriedigen: Darin finden die Nutzer Kommentare zu Wartezeit, Behandlung und Praxis. Experten warnen aber vor Risiken und Nebenwirkungen.

Die Seiten heißen Imedo oder Helpster, Arzt-Auskunft.de oder Aerzte-Bewerten.de, DocInsider oder NetDoktor. Und einige von ihnen bieten auch Gesundheitslexika, Diskussionsforen oder Adressen von Apotheken. Um einen Arzt zu finden, müssen Nutzer in einer Suchmaske die Postleitzahl und die gewünschte Fachrichtung eingeben – schon erscheinen Mediziner in ihrer Umgebung samt Bewertungen anderer Patienten. "Wir wollen den Gesundheitsmarkt transparent machen", nennt Ingo Horak, Gründer von DocInsider aus Hamburg, die Devise.

Bei DocInsider heißt Transparenz, dass die Nutzer Sterne vergeben dürfen – für das Vertrauensverhältnis zum Arzt, die Freundlichkeit der Mitarbeiter oder die Ausstattung der Praxis. Auch die Wartezeit wird abgefragt. Ein Freitextfeld dient Ergänzungen. Konkurrent Helpster unterteilt nach fachlichen und persönlichen Faktoren und setzt ebenfalls auf die Kommentare der Nutzer. Bei Imedo dominieren Sekundärtugenden und das Zwischenmenschliche: Das Portal fragt zum Beispiel nach Terminverfügbarkeit, Pünktlichkeit oder Freundlichkeit der Mitarbeiter. Kommentare sind jedoch nicht möglich.

Ein Großteil der Urteile ist bislang positiv, dennoch kritisieren Ärztevertreter die Bewertungssysteme. "Bei den deutschen Portalen werden zu viele emotionale Faktoren, aber zu wenige harte Fakten abgefragt", sagt Prof. Günter Ollenschläger, Leiter des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) in Berlin. Er fordert aufwendigere Befragungen, die etwa den Schutz der Intimsphäre oder Hinweise auf weiterführende Informationen einbeziehen.

Diesen Einwand will DocInsider-Chef Horak so nicht stehen lassen: "Der überwiegende Teil der Konflikte zwischen Arzt und Patient liegt auf der Beziehungsebene", meint er – etwa, wenn der Doktor nicht richtig zuhöre. Die Bewertungen machten deutlich, ob der Patient als Kunde ernst genommen werde. Auch in medizinischen Angelegenheiten könne der Patient eine Wertung abgeben: "Die Behandlung passiert ja am eigenen Körper – die Leute wissen oft genau, was gut für sie ist."

Ollenschläger kritisiert zudem, dass die digitalen Zeugnisse ein falsches Bild wiedergeben könnten. Denn zum einen ist die Zahl der Beurteilungen bei allen Portalen noch recht gering. Viele Praxen waren bis zuletzt noch unbenotet, selten kamen mehr als drei Urteile zusammen – das ist nicht repräsentativ. Zum anderen ermögliche die anonyme Bewertung Manipulationen. Die Portalbetreiber betonen aber, dass Missbrauch mit einem Beschwerde-Button gemeldet werden kann.

"Patienten sollten ruhig ins Internet gehen und sich auf den Portalen ein Bild machen", sagt trotz aller Kritik Wolfram Candidus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP). Er plädiert jedoch dafür, die Online-Bewertungen nicht als einziges Kriterium heranzuziehen. "Am besten sucht man sich zwei oder drei Ärzte aus und prüft, ob die Versprechen stimmen." Ein Anruf gebe etwa darüber Aufschluss, ob die Praxis tatsächlich gut erreichbar ist und ob die Mitarbeiter Patienten freundlich behandeln.

Wer seinem Arzt selbst ein Zeugnis ausstellen möchte, sollte das nach dem Motto "kritisch, aber ehrlich" tun. "Tatsachenbehauptungen müssen grundsätzlich wahr sein", sagt Carsten Ulbricht, Anwalt von der Kanzlei Diem & Partner aus Stuttgart. Wer zum Beispiel schreibt, die Ausstattung der Praxis sei veraltet, müsse das im Zweifelsfall beweisen können. Sonst kann der Kritisierte auf Unterlassung klagen und möglicherweise Schadensersatz erstreiten.

Harte Kritik ist trotzdem erlaubt: Die Meinungsfreiheit gelte auch für die Bewertung von Medizinern, sagt Carsten Ulbricht. "Wenn es begründet ist, kann ich schreiben: 'Das ist ein schlechter Arzt'." Verboten sind dagegen verächtliche Äußerungen – Juristen sprechen von Schmähkritik. Aber um anderen Patienten zu helfen, reichen einige Sätze meist aus – über lange Wartezeiten, unfreundliches Personal oder eine unwirksame Behandlung. Oder aber über einen tollen Arzt, der gut zuhört und zu helfen weiß. (Christof Kerkmann, dpa) / (anw)