Auf eigene Gefahr
Um sein Nokia-Handy in Eigenregie einer Verjüngungskur zu unterziehen, ist nach Angaben des Herstellers ein größerer Gerätepark vonnöten.
Selbst gestrickte Firmware-Tools versprechen Handy-Besitzern eine schnelle Verjüngungskur fürs Handy. Speziell Nokia jedoch warnt eindringlich vor Garantieverlust und Schäden und baut sogar noch Verschlüsselungen ein, um Freizeit-Flashern das Leben schwer zu machen. Wir fanden das Update eines Nokia 6210 zwar umständlich, aber überhaupt nicht riskant.
Für ein komplettes Firmware-Update eines 6210 braucht man zwei Datenkabel und zwei spezielle Software-Tools (entsprechendes findet sich bei gsm-free.com), nämlich ein Flash-Programm, mit dem man die Firmware in das Handy einspeist, sowie ein Tool zur Berechnung der Flash Authority Identification Data (FAID). Dies sind Prüfsummen, die in einem speziellen Bereich des EEPROMs liegen und gerätebezogene Daten enthalten. Sind sie fehlerhaft, kann sich das Handy nicht im Funknetz anmelden. Sie müssen bei jedem Flash-Vorgang neu berechnet werden -- ausgenommen, man schreibt eine gerade ausgelesene Firmware ohne Änderungen wieder zurück ins Handy.
Das Flash-Programm setzt ein so genanntes Flash-Kabel voraus, das PC und Handy über den Parallel-Port koppelt. Man findet es bei den einschlägigen Online-Shops, die Kosten liegen zwischen 20 und 60 Euro. Alternativ lohnt sich ein Blick auf Online-Versteigerungen, etwa bei eBay. Als zweites braucht man ein M-Bus-Kabel, das die FAID über die serielle Schnittstelle in das Handy spielt.
Praktisch: Statt zweier Kabel gibt es auch eine Kombi-Lösung für Nokia-Handys mit Umschalter zwischen F- und M-Bus.
Sicher ist ...
Vor jedem Update-Versuch sollte man ein vollständiges Backup der im Handy gespeicherten Anwenderdaten, etwa Telefonbuch-Einträge und Termine anlegen. Das erledigen Kopier-Programme, etwa der Content Copier, der zur PC-Suite von Nokia gehört. Diese Software-Sammlung fürs Handy bietet Nokia für viele Modelle im Internet an. Für die Kommunikation bei diesem Backup-Vorgang zwischen Handy und PC genügt ein übliches F-Bus-Kabel. Alternativ bieten sich die drahtlosen Schnittstellen IrDA oder Bluetooth an, sofern Handy und PC über diese verfügen.
Sind die persönlichen Daten archiviert, geht es an die Sicherung der Handy-Firmware, damit man im Notfall darauf zurückgreifen kann, etwa wenn die neuere Firmware mit Fehlern behaftet ist, die Bedienung nicht gefällt - oder der Flash-Vorgang misslingt. Einige der gängigen Flash-Programme, zum Beispiel der Nokia-DCT3-Flasher von Rolis, können das Handy-EEPROM auch auslesen und dessen Inhalt als Datei sichern.
Andere Freeware-Programme, etwa der Nokia-Flash-Downloader, sind nur auf das Auslesen und Speichern der Firmware spezialisiert. Bei diesem Programm fehlt jedoch eine Verifiy-Option. Der Rolis-Flasher vergleicht dagegen auf Befehl die gesicherte Firmware-Datei mit dem Inhalt des Handy-Speichers - eine Option, die man unbedingt nutzen sollte, denn damit geht man sicher, dass das Backup fehlerfrei gelungen ist.
Aus alt ...
Beim Rolis-Flasher gibt es zwei Wege, um die Firmware seines Handys zu aktualisieren. Entweder man wählt ein Voll-Update, um so alle Speicherbereiche des Handy-EEPROMs auf den neuesten Stand zu bringen, oder man nimmt nur Veränderungen im PPM-Bereich vor, etwa um Menü-Sprachen einzustellen, das Wörterbuch der Texteingabehilfe einzurichten oder Klingeltöne auszutauschen.
Da die Größe des Flash-ROMs je nach Handy-Typ variiert, muss man nach dem Starten des Flash-Programms zunächst das Nokia-Modell einstellen. Das EEPROM des 6210 fasst beispielsweise vier MByte, die aus drei Teilen bestehende Firmware-Image-Datei sollte daher genau 4096 KByte groß sein. Davon gehören 3200 KByte zur MCU, dem eigentlichen Betriebsprogramm. Der PPM belegt weitere 512 KByte. Die restlichen 384 KByte sind bei diesem Modell für Benutzerdaten, beispielsweise der Favoritenliste des WAP-Browsers reserviert.
Das Flash-Programm von Rolis ist ein weit verbreitetes Freeware-Tool für Nokia-Handys und erlaubt auch ein Auslesen der Handy-Firmware.
Zum Flashen muss das Handy ausgeschaltet und über das Flasher-Kabel mit dem Parallelport verbunden werden. Nach dem Laden der Image-Datei von der Festplatte bittet das Programm um einen kurzen Druck auf die Einschalttaste des Handys, um den Flash-Vorgang zu starten. Dabei soll sich das Handy nicht einschalten. Bei einem vier MByte großen Image dauert das Beschreiben des EEPROMs etwa zehn Minuten. Danach wechselt man das parallele Flasher-Kabel gegen das serielle M-Bus-Datenkabel und es geht an die Berechnung der neuen FAID, die man zwingend in das EEPROM eintragen muss. Anders als beim Flash-Vorgang muss beim Erneuern der FAID das Handy eingeschaltet sein. Auch ist dafür ein neues Programm notwendig. Als Software setzten wir das Nokia-Tool von Rolis ein, alternativ bieten sich auch etwa die EEPROM-Tools von B-Phreaks an. Zum Abschluss der Prozedur sollte man noch ein Software-Reset des Handys ausführen, was ebenfalls das Nokia-Tool von Rolis übernimmt.
Der hier beschriebene Weg lässt sich mit mehreren Nokia-Modellen nachvollziehen, vorausgesetzt, die passenden Daten-Kabel sind vorhanden. Sollte beim Flashen etwas schief laufen oder das benutzte Firmware-Image fehlerhaft sein, meldet das Handy nur "Call Service" auf dem Display, wie wir es bei einem misslungenen Flash-Versuch mit dem betagten Nokia 7110 beobachten konnten. Wenn die Sicherungskopie der Original-Firmware vorhanden ist, braucht man das Handy nur durch kurzes Entfernen des Akkus abzuschalten und mit dem Backup zu flashen. Eine FAID-Berechnung ist hier nicht notwendig. Die eigentliche Flash-Routine scheint bei den Nokia-Handys in einem schreibgeschützten Speicherbereich zu liegen. Insofern ist das Flashen eines Handys ungefährlicher als ein BIOS-Update bei vielen Mainboards, die keine zusätzlichen Sicherungen aufweisen.
Fazit
Ein Nokia-Handy mit neuer oder "umgebastelter" Firmware zu bestücken, ist kein einfaches Unterfangen. Die Programme spiegeln im Prinzip die Umgebung wider, der sie entstammen - die Freizeit-Flasher hatten bei der Programmierung ganz sicher keine Design-Preise für die einfachste und schönste Benutzerführung im Sinn, obwohl sich der Flasher von Rolis nicht schlecht schlagen würde. Manche der wohl vorwiegend nächtens programmierten Tools muten halbgar und subversiv an. Aber sie funktionieren - überraschend verlässlich sogar.
Nokia und Co wären gerade deshalb gut beraten, eigene unter Verschluss gehaltene Upgrade-Werkzeuge so zu verfeinern, dass sie auch der Normal-Handy-Nutzer ohne "Flash-Führerschein" gefahrlos handhaben kann, so könnten Backup und Flashen einer neuen Firmware automatisiert werden - weniger Buttons, weniger Fehler. Die Entstehung selbst gestrickter Tools mit Garagen-Geruch würden sie damit wohl nicht verhindern, aber zumindest deren breite Nutzung eindämmen. (em)
Glossar
Flashen von Nokia-Handys
EEPROM (Electrically Erasable Programmable Read Only Memory): Speicherchip, der die Betriebs-Software des Handys enthält. EEPROMs werden auch als Flash-ROMs bezeichnet. Die Daten eines Flash-ROMs bleiben nach Abschalten der Betriebsspannung erhalten, können aber nach Anlegen einer Schreibspannung gelöscht und neu beschrieben werden.
F-Bus: serieller Standard-Port von Nokia-Handys. Die Schnittstelle dient zum Übertragen von Anwenderdaten wie Telefonbucheinträgen, Terminen, Bildern oder Klingeltönen. Ein per F-Bus angeschlossenes Notebook kann das Handy meist auch als Funkmodem nutzen. Die Datenrate des F-Bus beträgt zwischen 9,6 und 115,2 kBit/s.
FAID (Flash Authority Identification Data): bezeichnet die Sicherheitsdaten im EEPROM-Bereich, die nach einem Update neu berechnet werden müssen, da sich das Handy sonst nicht in das Mobilfunknetz einbucht.
IMEI (International Mobile Equipment Identifier): ist die - eigentlich - weltweit eindeutige Gerätenummer eines Mobiltelefons. Fast alle Handys zeigen sie nach Eingabe von *#06# auf dem Display an. Sollte das Gerät gestohlen werden, kann der Netzbetreiber das Handy anhand dieser Nummer sperren lassen. So kann man mit dem gestohlenen Handy selbst mit einer anderen SlM-Karte keine Gespräche mehr führen. IMEI-Changer unterlaufen jedoch diesen Sicherheitsmechanismus, wenn die IMEI im überschreibbaren Teil des Handy-Speichers liegt.
M-Bus: serielle Schnittstelle von Nokia-Handys. Der M-Bus besteht nur aus einer Leitung, über die die Daten in beiden Richtungen laufen. Die Datenrate liegt bei 9,6 kBit/s. Der M-Bus wird vor allem für Service-Zwecke, etwa zum Aufspielen von Firmware-Updates genutzt.
MCU (Master Control Unit): das Betriebssystem eines Nokia-Handys
PPM (Post Programable Memory): Im PPM werden zum Beispiel Menübeschreibungen und Wörterbücher für die Texteingabehilfe gespeichert. Außerdem enthält der Bereich auch Betreibernamen, Klingeltöne und Hintergrundgrafiken.
SIM-Lock: Manche Handys akzeptieren nur eine bestimmte SIM-Karte, so etwa Mobiltelefone aus Paketen mit Prepaid-Karte. Das soll verhindern, dass der Käufer das vom Netzanbieter hoch subventionierte Handy zusammen mit einer Karte der Konkurrenz benutzen kann.