Jungbrunnen fĂĽrs Handy
Zahlreiche Consumer-Elektronikgeräte enthalten heute Mikrocontroller, die mit einem eigenen Betriebssystem - Firmware oder auch BIOS genannt - ausgestattet sind und die Funktionstüchtigkeit der Geräte entscheidend beeinflussen.
Wenn ein Handy unvermittelt abstürzt, hilft womöglich das Aufspielen eines Firmware-Updates. Doch der Selbsthilfe durch die Anwender haben die meisten Hersteller den Riegel vorgeschoben.
Zahlreiche Consumer-Elektronikgeräte enthalten heute Mikrocontroller, die mit einem eigenen Betriebssystem - Firmware oder auch BIOS genannt - ausgestattet sind und die Funktionstüchtigkeit der Geräte entscheidend beeinflussen. War das Aktualisieren dieser Betriebssysteme früher meist mit aufwendigem Wechsel der entsprechenden Speicherbausteine verbunden und daher eher selten, ist die Update-Praxis inzwischen sehr viel weiter verbreitet, denn die Firmware-Bausteine müssen bei modernen Geräten wie PCs, Grafikkarten oder Modems nicht mehr getauscht werden, sondern lassen sich dank Flash-ROM-Technik und spezieller Software einfach mit neuem Inhalt bespielen.
Viele Hardware-Hersteller veröffentlichen zu diesem Zweck aktualisierte Firmware-Dateien und passende Update-Software im Internet. In der Newsticker-Rubrik Nachgelegt: Neue Treiber und BIOS-Versionen stellt heise online beispielsweise jede Woche Informationen und Download-Möglichkeiten für die Aktualisierung von Mainboards, Grafikkarten oder auch ISDN-Karten zusammen.
Frischzellenkur
Von Zeit zu Zeit ein Firmware-Update durchzuführen, ist also mittlerweile schon fast zur Selbstverständlichkeit geworden. Und dank anwenderfreundlicher Gestaltung der Update-Software können selbst Laien ihren Geräten im Handumdrehen eine Frischzellenkur verpassen.
Zwar dürfte der Grund für ein Bad im Jungbrunnen zumeist an der Praxis der Hersteller liegen, Geräte erst mal nur mit irgendwie lauffähiger Firmware auszuliefern und Kinderkrankheiten erst nach und nach auszubügeln, mitunter spielt der Kunde aber im Laufe der Update-Schritte auch die eine oder andere neue Funktion in das alte Gerät ein. Von der Vorgehensweise profitieren letztlich beide Seiten: Die Hersteller sparen bares Geld, weil sie dadurch den Service-Aufwand verringern und die Kunden müssen keine langen Wartezeiten für Fehlerkorrekturen mehr hinnehmen.
Um so erstaunlicher ist, dass sich die Handyhersteller mit einer Ausnahme diese Gepflogenheit noch nicht zu Eigen gemacht haben: Dabei sind gravierende Fehler in der Software von Mobiltelefonen gar nicht so selten. Etwa beim Siemens S45 und ME45. Die Handys schickten vor Wochen ihre Nutzer im wahrsten Sinne des Wortes in den April und schalteten sich bei Aufruf des Kalenders unvermittelt ab. Auch Handys des Konkurrenten Nokia haben es in sich: beim 6210 zum Beispiel reicht die Mängelliste vom Vibrieren bei ausgeschaltetem Vibrationsalarm bis zum fehlerhaften Empfang von Nachrichten im D2-Netz. Doch entsprechende Software vom Hersteller, mittels der ein Handy-Nutzer sein Gerät selbst auf den aktuellen Stand bringen kann, ist rar gesät.
Nur Siemens tanzt hier seit kurzem aus der Reihe. Für die Typen S45 und ME45 gibt es Firmware-Updates zum Download im Netz. Nach dem Herunterladen der Software müssen Anwender nur noch die Geräte per Datenkabel an den Rechner anschließen und das Update starten. Garantieansprüche bleiben nach Angaben von Siemens in jedem Fall erhalten.
Will man hingegen ein Handy von Samsung, Mitsubishi (Trium), Alcatel oder Motorola mit aktueller Firmware versehen, um Fehler zu beheben, ist das Mobiltelefon kurzerhand eine Woche weg: Das Handy schickt man nach RĂĽcksprache mit der jeweiligen Hotline zum Service-Center des Herstellers, wo dann eine aktualisierte Software aufgespielt wird. Bei bekannten, korrigierbaren Fehlern fĂĽhren die Handy-Produzenten Firmware-Updates innerhalb der Garantiezeit kostenlos durch. Danach kostet eine Software-Aktualisierung je nach Hersteller meist zwischen 30 und 60 Euro.
Ein Update von Nokia-Handys ist prinzipiell nur bei autorisierten Händlern oder in einem der Nokia-Service-Center mit Flash-Box vorgesehen. Die Update-Prozedur dauert etwa zwanzig Minuten, meist geht für den Kunden aber dennoch ein ganzer Nachmittag ohne Handy drauf, weil die Arbeit im Laden halt so nebenbei erledigt wird. In den einschlägigen Foren im Internet berichten User aber auch von längeren Wartezeiten. Ist ein Update nicht aufgrund eines gravierenden Fehlers zwingend erforderlich, kostet Nokia-Kunden der Aktualisierungs-Spaß 45 Euro. Ausnahmen gibt es nur für die Mitglieder des Nokia-Clubs: Für sie sind Firmware-Updates in einigen Clubs kostenlos.
Auch bei Siemens und Sony Ericsson nehmen örtliche Vertragshändler bei Bedarf Firmware-Updates vor. Ist keiner in der Nähe, so schickt der Kunde sein Handy nach Rücksprache mit der Hotline ein, um es in der Regel nach fünf Arbeitstagen aktualisiert zurückzuerhalten. Ein Update ist bei Siemens nach Unternehmensangaben bis auf eventuell anfallende Transportkosten immer kostenlos - auch nach Ablauf der Garantiezeit.
Amnesie
Die im Handy gespeicherten Daten gehen bei einem Firmware-Update prinzipiell verloren, wenn man sie nicht vorher in Sicherheit bringt und anschließend wieder einspielt. Dies betrifft allerdings nicht die auf der SIM-Karte gespeicherten Telefonnummern, die auf jeden Fall erhalten bleiben. Bei Nokia in Hannover bieten die Service-Leute zwar an, einen Datensicherungsversuch zu unternehmen, doch eine Erfolgsgarantie wollte man uns dafür nicht geben; zudem werden lediglich die Standarddaten wie Telefonbuch- und Kalendereinträge gesichert. Lässt man die Sicherung beim Vertragshändler vornehmen, sollte unbedingt der Preis vorher abgeklärt werden. Erboste Kunden berichten in diversen Internet-Foren über Kosten von bis zu 80 Euro für diese Dienstleistung.
Individuelle Klingeltöne, Logos oder eine eventuelle Netzmonitorfreischaltung verliert man in jedem Fall. Grundsätzlich sollte der Handy-Besitzer seine Daten daher vor einem Firmware- Update immer selbst sichern. Die besseren Programme helfen zumindest, den größten Teil der persönlichen Daten vor einem Update zu retten. Nokia hat zumindest für einige aktuelle Handys mit Datenschnittstelle eine eigene Windows-Software parat, mit der der Anwender Sicherungskopien aller Anwendungsdaten auf einem PC anlegen kann. Sie gehört zu Nokias Programmpaket PC Suite und wird in der Regel mit dem Handy auf CD geliefert.
Hilf dir selbst
Obwohl die Handy-Hersteller allesamt sehr restriktiv mit Informationen zu ihrer Firmware umgehen, gibt es dennoch Quellen, aus denen man sich bei Bedarf bedienen kann. Zahlreiche engagierte Privatanwender unterhalten im Internet Seiten mit inoffiziellen Firmware-Infos - etwa nobbi.com. Nach Herstellername und Modellbezeichnung sortiert, sind dort häufig versionsspezifische Fehler aufgelistet, die Anwender beobachtet haben. Surfer können sich hier informieren, unter welchen Umständen ein Update sinnvoll ist.
Um herauszufinden, welche Firmware-Version ein Handy momentan antreibt, benutzt man bestimmte Tastenkombinationen. Die können je nach Hersteller von Modell zu Modell variieren. Bei Siemens-Geräten ist beispielsweise die Zeichenfolge *#06# gefolgt von der linken Display-Taste gebräuchlich.
Auf anderen Internet-Seiten, die man in gängigen WWW-Suchmaschinen ziemlich einfach über die Eingabe von Suchbegriffen wie "handyfirmwareupdate" findet, werden zudem die verschiedensten Firmware-Versionen für alle möglichen Handy-Modelle nebst passender Update-Software zum Download angeboten. Generell geben die Betreiber aber sehr deutlich zu erkennen, dass sie weder eine Garantie für die angebotene Firmware übernehmen noch für eventuelle Schäden haften.
Zwar sind die Update-Tools und Firmware-Dateien dem Wortlaut nach alle auf ihre Funktionsfähigkeit hin getestet, doch läuft beim Update etwas schief, ist immer der Anwender der Dumme: Bei einem selbst durchgeführten Firmware-Update erlischt nämlich, Ausnahme Siemens, sofort die Herstellergarantie für das Handy, und eine eventuelle Reaktivierung ist in jedem Fall kostenpflichtig.
Die Kosten für eine Wiederherstellung des Handys nach dem privaten Update-GAU variieren von Hersteller zu Hersteller: Während Samsung pauschal 57 Euro für das Einspielen verlangt, berechnet Siemens je nach Handy-Modell bis zu 200 Euro.
Sehr genau sollte man zudem darauf achten, mit welchen Gruppen man beim Fachsimpeln auf diesen Sites in Kontakt tritt: In manchen Diskussionsforen tauschen die Teilnehmer nicht nur Erfahrungen und Vorlieben für bestimmte Handy-Modelle aus, häufig dreht sich das Frage-Antwort-Spiel auch um Themen wie das Knacken von SIM-Locks oder das Manipulieren von Handys für einen angeblich kostenlosen Versand von SMS-Nachrichten.
Das SIM-Lock ist eine Sperre, die Netzbetreiber beim Hersteller der Mobiltelefone in Auftrag geben, um Mobilfunkgeräte fest an bestimmte Karten zu koppeln. Je nach Hersteller und Auftraggeber gibt es verschiedene Arten von SIM-Locks. Nokia unterscheidet zum Beispiel die Level 1 bis 4. Damit kann der Netzbetreiber das Handy beispielsweise fest an eine bestimmte Karte binden oder nur die Nutzung von Karten des eigenen Angebots erlauben. Grundsätzlich sehen Handy- Produzenten und Netzbetreiber bei Manipulationsversuchen an den SIM-Locks rot und drohen sehr schnell mit rechtlichen Konsequenzen.
Beachten sollte man unbedingt, dass Unlock-Programme immer aus zwielichtigen Kreisen stammen und nie garantiert ist, dass sie auch wirklich das tun, was sie versprechen. Wer weiß, was solch ein dubioses Tool alles in die Firmware hineinflasht oder ob es sie gar komplett löscht und das Handy somit unbrauchbar macht.
Konsequenzen
Dass Handy-Besitzer für ein Firmware-Update überhaupt auf die "ehrenamtliche" Arbeit von Privatleuten angewiesen sind und dabei auch auf Software aus dunklen Kanälen stoßen, ist nicht zuletzt der restriktiven Politik der Handy-Hersteller zu verdanken. "Da wir kaum Probleme haben, ist dieser zusätzliche Aufwand aus unserer Sicht bisher nicht nötig", lautete der allgemeine Sprachgebrauch in der Branche. Erschreckend ist die immer wieder geäußerte - naive - Mutmaßung vieler Handy-Produzenten, dass gerade ihre Geräte sich keinesfalls unabhängig vom Hersteller updaten ließen, weil es dafür angeblich weder Tools noch Files gibt. Erst das Studium ellenlanger Internet-Download-Listen mit entsprechenden Dateien scheint so manchem Produktmanager die Augen zu öffnen.
Warum also nicht aktuelle Firmware- Versionen nebst Update-Software ganz offiziell im Internet veröffentlichen, damit sie der Anwender selbst ausführen kann? Schließlich sind viele Handy- Besitzer auch Nutzer von Computern und intelligent genug, ein Handy per Datenkabel mit einem Rechner zu verbinden. Auf Herstellerseite würde das den Service-Aufwand verringern, auf Kundenseite Zeit und Kosten sparen.
Die von den Herstellern gelegentlich ins Feld geführten Gründe von angeblich so komplizierten Update-Verfahren sind keineswegs ein starkes Gegenargument - schließlich funktionieren die im Internet zugänglichen Programme größtenteils schon jetzt problemlos. Gegen Manipulationen könnte man sich durch kryptographische Signaturen absichern; aktuelle Flash-Bausteine lassen sich blockweise sperren, um die Fälschung sensibler Daten, etwa der IMEI (International Mobile Equipment Identity) zu verhindern. Immerhin hat Siemens zumindest den Anfang gemacht. Hoffen wir, dass andere Hersteller folgen werden. (em)