Filesharing-Protagonisten unbeeindruckt von rechtlichen Bedrohungen

Vertreter unter anderem der BitTorrent-Tracker PirateBay und Mininova debattierten auf der Konferenz "The Oil of the 21st Century" weniger über Fragen von Immaterialgüterrechten, als über "Filesharing als neue Kulturindustrie".

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Vertreter der nach eigenen Angaben weltweit größten BitTorrent-Tracker blickten auf der Konferenz The Oil of the 21st Century überwiegend optimistisch in die Zukunft. "Ich sehe nicht, warum ein Tracker illegal sein könnte", erklärte Peter Kolmisoppi, Mitgründer der schwedischen PirateBay, auf der noch bis Sonntag laufenden Tagung im Telegrafenamt des Berliner Bezirks Mitte. Auf der Site selbst würden ja keine Inhalte angeboten. Generell sei es "langweilig", über veraltete Konzepte wie das Copyright zu sprechen. "Wir sind eine legale Seite", konstatierte auch Erik Dubbelboer, Präsident der in den Niederlanden sitzenden Betreiberfirma von Mininova. "Wir haben dort keinen Content."

Tatsächlich ist es den Anbietern der beiden Filesharing-Portale bislang gelungen, dem massiven, im Fall von PirateBay teilweise öffentlich dokumentierten Druck von Rechteinhabern etwa aus Hollywood aufgrund vergleichsweise liberaler Urheberrechtsgesetze in Schweden und Holland standzuhalten. "Wir sind auch verärgert", konterte Kolmisoppi den Verdruss etwa der Motion Picture Association of America (MPAA) mit dem Verweis auf die von US-Rechtehaltern immer wieder fälschlicherweise beanspruchte weltweite Geltung US-amerikanischer Gesetze wie dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Der MPAA war es im vergangenen Jahr kurzzeitig gelungen, mit Hilfe der schwedischen Polizei und einer von den Ermittlern durchgeführten Razzia die Piratenbucht drei Tage stillzulegen. Seit die Site rasch wieder online war, "schickt uns die MPAA nichts mehr", erläuterte Kolmisoppi. Die unterhaltsamen Antworten der selbsternannten Piraten auf andere Anforderungen von Anwälten oder "Web-Sheriffs" zur Beseitigung geschützter Werke fasste er mit den Worten "Fuck you" zusammen.

Einen echten rechtlichen Angriffspunkt in Form eines "Single Point of Failure" sieht Kolmisoppi bei der PirateBay nicht: "Ich denke nicht, dass ein Versagen droht." Man werde höchstens weitere Erfahrungen mit dem Rechtssystem machen, verwies der blonde junge Mann auf drohende Gerichtsverfahren. Anfang Mai kündigte der schwedische Staatsanwalt Hakan Roswall rechtliche Schritte gegen The Pirate Bay an. Er wirft den Betreibern Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz, Hilfeleistung beim Verstoß gegen das Urheberrecht durch andere und Bildung einer Verschwörung zum Verstoß gegen Urheberrechte vor. Die schwedische Justizministerin Beatrice Ask will zudem die Provider in der rechtlichen Schlacht gegen die Torrent-Seite einspannen. Ein Kampf gegen Windmühlen, meint der PirateBay-Gründer: "Wenn wir das nicht anbieten, macht es eben jemand anders."

Bei Mininova, dem Nachfolger der inzwischen in die Piratenbucht aufgenommenen Site Suprnova mit rund zwei Millionen Besuchern pro Tag, laufen dagegen noch Gespräche etwa mit der MPAA. "Das geht alles zähflüssig über die Bühne", berichtete Dubbelboer und widersprach zugleich Gerüchten, dass es bereits einen Deal zum Ausfiltern von Hollywood-Filmen gebe. Man wolle keine Selektion bei den Torrents vornehmen, aber die Rechteinhaber "total zu ignorieren, ist auch schwierig". Sollte ein Filter eingebaut werden, lasse man dies die Öffentlichkeit auf jeden Fall wissen. Was die Zukunft bringe, sei unklar – vielleicht ja aber auch eine "neue, bessere und noch mehr dezentralisierte Filesharing-Technologie" als BitTorrent.

Die PirateBay-Macher engagieren sich laut Kolmisoppi bereits in diese Richtung: "Wir unterstützen die Entwicklung eines neuen Filesharing-Protokolls." Im Gegensatz zu BitTorrent werde dieses Open Source sein, damit die Nutzer in Eigenregie daran feilen und leichter Tracker-Systeme weltweit aufsetzen könnten. Weitere Details wollte Kolmisoppi noch nicht verraten. Die Arbeit an dem Protokoll sei aber überfällig, seit große Filmstudios bei der BitTorrent-Mutterfirma an Bord seien. Zugleich bekräftigte der Schwede, dass die "Piraten" ein Streaming-Protokoll als Peer-to-Peer-Dienst (P2P) aufsetzen wollen. Die allgemein ausgesandte Botschaft laute: Die Technik gehe einen Schritt weiter als etwa bei YouTube und sei damit auch nicht so einfach zu zensieren wie zentrale Videoplattformen.

Generell wollten die Panelteilnehmer eigentlich weniger über Fragen von Immaterialgüterrechten als vielmehr über "Filesharing als neue Kulturindustrie" sprechen. Das Nutzen der Tauschbörsen sei längst eine alltägliche Sache geworden und werde "mehr und mehr einfach gemacht", befand Kolmisoppi in diese Richtung. Selbst Medienfirmen würden die Tracker nutzen, um etwa vollständige Listen von ausgestrahlten Fernsehserien für die kommerzielle Verwendung zu erhalten. Die größte Nutzergruppe bei Mininova seien nach wie vor Studenten, ergänzte Dubbelboer. An den Fragen im Forum sei aber abzulesen, dass "auch mehr und mehr über Fünfzigjährige vorbeischauen, die noch nie zuvor etwas heruntergeladen haben". Dass große Medienfirmen eines Tags aber Geld in die Plattform stecken, glaubt der Niederländer nicht. Bisher herrsche aus dieser Branche der Konfrontationskurs vor.

Der Londoner Autor und Filmproduzent Jamie King versuchte aus den Trackerbetreibern herauszukitzeln, ob die Piratenseiten letztlich nicht sogar diejenigen mit der höheren – wenn auch versteckten – Ethik im Gegensatz zu kommerziellen Konzernangeboten seien. Zumindest gehe es ihnen offensichtlich nicht um den Verkauf von Nutzerdaten, wie ihn für King etwa gerade die Netzwerkseite Facebook mit der Annahme einer Millionenbeteiligung von Microsoft vollzogen hat. Er prophezeite eine "Massenrevolte", wenn den Nutzern klar werde, dass viele Anbieter im Web 2.0 die von ihnen preisgegebenen Informationen und die eigen generierten Inhalte allein als Ware und Mittel für die eigene Bereicherung sähen. Die P2P-Seiten hätten jenseits von Werbung dagegen keinen Weg gefunden, aus den im Angesicht einer massiven Ausdehnung des Copyrights aufgebauten Infrastrukturen Geld zu machen. Dafür hätten sie aber die bessere Reichweite und hätten das Problem gelöst, die Aufmerksamkeit der Nutzer auf bestimmte Inhalte zu lenken.

Auch als die besseren Archive handelten Filesharing-Befürworter P2P-Dienste im Vergleich zu den entsprechenden, oft mit proprietären Formaten und Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) arbeitenden Angebote traditioneller Medienhäuser wie den öffentlich-rechtlichen Sendern. Vor allem das geschlossene, auf ausgefallene Filmproduktionen spezialisierte Torrent-Netzwerk KaraGarga kam hier zur Sprache, wo Links auf einmal verfügbare Streifen archivieren und somit auch nach Jahren noch zu neuem Leben erweckt werden könnten. Umstrittener war dagegen der Ansatz von KaraGarga und anderen kleinen P2P-Seiten, das Verhältnis von Up- und Downloads zu messen und Punkte für selbst angebotene Werke zu verteilen.

Allgemeines Ziel der vom Projektbüro bootlab mit Förderung der Kulturstiftung des Bundes organisierten Konferenz ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zitat Mark Gettys, des Präsidenten der Bildagentur Getty Images, wonach "das geistige Eigentum das Öl des 21. Jahrhunderts" sei, und den dahinterstehenden Konzepten rund um Urheber-, Patent- oder Markenrechte. Im Rahmen eines panischen "Kriegs gegen die Piraterie" versuche ein Kartell von Vertreibern von Firmenwissen seine exklusiven Rechte zur "Ausbeutung" der informationellen Ressourcen der Welt zu erhalten, heißt es in der Einführung zu der Tagung. Dieser Versuch der Privatisierung öffentlichen Eigentums stoße aber auf einen fast automatisch erfolgenden Widerstand, der durch die technologische Entwicklung und den damit verknüpften kulturellen und sozialen Fortschritt angetrieben werde. Im Zeitalter der unwiderruflichen digitalen Reproduktion und des Internets müsse das bereits von Walter Benjamin betonte positive Potenzial des Kopierens herausgearbeitet und die künstliche Verknappung von Ideen und geistigen Werken verhindert werden. (Stefan Krempl) / (jk)