Universalkommunikator

Mit dem E70 hat Nokia seiner Smartphone-Reihe ein ungewöhnliches Modell hinzugefügt, das mit einer Fülle von Funktionen und überdurchschnittlicher Ausstattung lockt.

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Mit dem E70 hat Nokia seiner Smartphone-Reihe ein ungewöhnliches Modell hinzugefügt, das mit einer Fülle von Funktionen und überdurchschnittlicher Ausstattung lockt. Dank eines pfiffigen Tastatur-Designs könnte es sogar stilbildend sein für eine an Profi-Nutzer gewandte Gerätegruppe – im Test offenbarte es aber auch einige Macken.

Nokias neues E70 ist weit mehr als nur Telefon: Das geradlinig bis nüchtern erscheinende Gerät eignet sich für moderne UMTS- sowie für 900-, 1800- und 1900-MHz-GSM-Netze. Mit der aufklappbaren, vollwertigen Tastatur in Qwertz-Layout sowie dem Symbian-Betriebssystem zeigt sich das mit Kommunikations- und Multimedia-Funktionen gespickte Smartphone für noch mehr mobile Anwendungen geeignet als seine bereits üppig ausgestatteten Vorgänger.

Das Konzept fußt auf der kürzlich eingestellten 6820er Serie, die als erste zwei Tastaturen mitbrachte, der aber das Symbian-Betriebssystem fehlte und daher die Möglichkeit, die zahlreichen Symbian-Programme auszuführen. Das E70 führt das Tastatur-Konzept fort, angereichert mit vielen aktuellen Hardware-Zutaten. Der 127 Gramm schwere Hansdampf enthält ein Farbdisplay, das bis zu 262.144 Farben auf 352 × 416 Pixel darstellt, eine 2-Megapixel-Kamera, 80 MByte Speicher und einen Steckplatz für miniSD-Speicherkarten. Zu der langen Liste an Programmen, die das Gerät mitbringt, gehören Adressbuch, Kalender, Internet-Browser, E-Mail-Client, Musik- und Video-Player, PDF-Reader und auch Office-Programme.

Für die Übertragung von Dateien zwischen E70 und PC lassen sich im Nahbereich USB, Infrarot oder Bluetooth nutzen; bei größeren Entfernungen stehen WLAN- oder GPRS-, EDGE- oder UMTS-Modemverbindungen für Mail-Übertragungen bereit. So ausgestattet spricht das Gerät mobile Anwender an, die auch unterwegs am Arbeitsfluss der Firma aktiv teilnehmen müssen.

Doch wer dem Reiz des kompakten Alleskönners nachgibt, sollte die Lernphase großzügig planen, denn sonst hat man nicht mehr als einen Universalbenutzer loriotscher Prägung in der Hand, von dem man nur weiß, dass er wohl alles könnte – wenn man ihn nur zu bedienen gelernt hätte. Die grundlegenden Anwendungen sind zwar selbsterklärend, doch die fortgeschrittenen Programme für die WLAN-, VoIP- oder gar VPN-Kommunikation lassen sich nicht nebenbei einrichten (statt fruchtloser Grübelei über VPN-Menüs empfiehlt es sich, wenn möglich auf SSL-gesicherte Kommunikation auszuweichen; im Test klappten sowohl Browser- als auch IMAP-Zugriffe via SSL).

Nokia hat dem Gerät ein gut geratenes Handbuch sowie eine kontextsensitive Hilfe spendiert, die deutlich den Umfang übertrifft, den Nokias Symbian-Vorgänger aufweisen. Genau besehen wiederkäuen die Autoren in der Online-Hilfe aber eine hausgemachte Terminologie, die sich nur gelegentlich mal des üblichen Sprachgebrauchs bedient; viele der Texte entbehren einer simplen Erklärung, wofür eine bestimmte Funktion gut ist, und oft folgen die Autoren der Unsitte, nur Menünamen aufzuzählen.

Manches Detail findet sich immerhin im Handbuch, etwa, dass für VPN-Verbindungen das IPSec-Verfahren genutzt wird. Dass das Handy zudem einen Server voraussetzt, von dem es Einstellungen, Schlüssel und Zertifikate lädt, muss man aber mühevoll aus dem Zusammenhang herleiten. Weitaus besser erklären die im Hilfe-Ordner einsortierten Flash-Animationen die Gründzüge des Geräts – weil sie knapp, aber durchdacht gestaltet sind.

Schade, dass darin nicht sämtliche Geräteeigenschaften berücksichtigt sind, denn das E70 kann mit seiner Funktionsvielfalt in mancher Situation sogar ein Subnotebook einsparen. Beispielsweise lassen sich mit dem E70 Office-Dokumente von Microsoft nicht nur anzeigen, sondern auch bearbeiten.

Der Web-Browser, der auf Apples WebKit gründet, überzeugte im Test mit schnellem Seitenaufbau und intuitiver Navigation per Steuerkreuz. Anhand von Verkleinerungen kann man sich die Übersicht über komplette Web-Seiten anzeigen lassen. Die History-Funktion zeigt besuchte Web-Seiten nicht als simple Textliste an, sondern als grafische Verkleinerungen. Freilich ist solchen grafischen Funktionen wohl auch der Speicherhunger des Browsers geschuldet, der manche reich bebilderten Web-Seiten mangels Arbeitsspeicher nicht öffnen kann. Der testweise eingerichtete, kommerzielle Browser von Opera zeigte dieses Manko nicht.

Wechselfunk

Eine der spannendsten Anwendungen ist die VoIP-Telefonie per WLAN; das E70 folgt dabei der IEEE-Norm 802.11g für maximal 54 MBit/s. Anders als zunächst in manchen Internet-Foren gemeldet, lässt sich das E70 durchaus nicht nur über kommerzielle WLAN-Hotspots für VoIP-Telefonate nutzen, sondern auch über private WLAN-Router. Dafür eignen sich jedoch nicht alle VoIP-Dienste. Beispielsweise erklärte Sipgate auf Anfrage, dass das E70 zurzeit nicht unterstützt wird, aber eine Lösung in Aussicht stehe, die unter anderem eine deutlich vereinfachte Einrichtung für alle VoIP-Geräte einschließt.

Zudem dürfte die vertrackte, in mehrere Bereiche getrennte Einrichtung sowie die mangelhafte Dokumentation viele Interessenten frustrieren. Immerhin ließ sich das E70 im Test mit dem Service von dus.net nutzen, wenngleich nicht zuverlässig.

Praktisch fanden wir, dass das Gerät zwar in der Werkseinstellung mit voller Leistung sendet (100 mW EIRP) und so im Test in einer Büroumgebung rund 30 Meter überbrücken konnte, aber für Stromsparkzwecke auch mit 10 mW und 4 mW funkt. Leider hat Nokia diese Einstellungen tief im Menü verborgen.

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Internet-Maschinchen: Das E70 bringt Mail-Programm, Web-Browser und sogar einen VPN-Client mit. Vergrößern

Außerhalb der WLAN-Reichweite schaltet das Gerät auf Wunsch nach einer Weile automatisch auf UMTS um (WLAN-UMTS-Roaming). Für Surf-Zwecke ist der Schaltvorgang zu langsam; er steht daher nur für den Mail-Client zur Verfügung. Man kann aber während einer Surf-Sitzung manuell zwischen vordefinierten Verbindungen wechseln.

Einer der Vorzüge gegenüber Symbian-Vorgängern ist die Möglichkeit, mehr als eine Kommunikationsverbindung gleichzeitig zu nutzen. So lässt sich während einer UMTS-Surfsitzung etwa via Bluetooth eine Visitenkarte übertragen. Bluetooth lässt sich wie gewohnt zum freihändigen Telefonieren über Bluetooth-Headsets nutzen und zudem für den Anschluss eines Bluetooth-Keyboards. Dafür sollte man Nokias eigene Bluetooth-Tastatur nehmen, denn bei anderen sind die Tasten anders belegt als bezeichnet und Funktionstasten fehlen.

Synchronizer

Besitzern anderer Symbian-Smartphones erleichtert die Software namens Transfer den Umstieg: Sie synchronisiert Adressen und Kalender mit anderen Symbian-Bluetooth-Handys. Das verblüffende daran ist, dass das fremde Smartphone gar keinen Client für diese Art Synchronisierung haben muss – vielmehr registriert das E70 nach einer Bluetooth-Kopplung, ob sich das Gegenüber für den Abgleich eignet, und schiebt ihm dann bei Bedarf den Client via Bluetooth zu.

Für die Synchronisierung mit Windows-PCs über Bluetooth, IrDA oder USB legt Nokia die hauseigene Software PC-Suite bei. Macs lassen sich sowohl über kommerzielle iSync-Plugins als auch über kostenlose synchronisieren (etwa über das iSync-Plugin für Nokia-Smartphones). Wer sich die Mühe machen will, kann manuell auf die Dateien zugreifen, denn der Speicher des Geräts lässt sich auch als USB-Festplatte einbinden.

Freilich ist das Gerät noch nicht ganz ausgereift. Die Steuerung der Tastaturbeleuchtung funktioniert nicht in allen Situationen zuverlässig, die Gerätesperre wird beim Anschließen via USB im Datentransfermodus nicht abgefragt, sodass Diebsgesindel den Inhalt des Geräts auslesen kann, und in den SMTP-Einstellungen via SSL akzeptiert das E70 nur dreistellige Portnummern.

Macken und Zicken

Dennoch schmälern diese Fehler den Gesamteindruck kaum. Viele durchdachte Funktionen lassen den Eindruck aufkommen, dass lediglich der Endkontrolle einige Macken entgangen sind, der Hersteller jedoch durchaus Perfektionierung anstrebt. So kann man in der Werkseinstellung sofort mit der Texteingabe beginnen, wenn man die Tastatur aufgeklappt hat – das E70 startet automatisch das zugehörige Notizbuch, das den Text empfängt. Wer vertrauliche Daten auf dem Gerät speichert, kann es zur Fernsperre per SMS mit vordefiniertem Inhalt einrichten. Das vielleicht interessanteste unter den Schmankerln ist die Sprachhilfe, die Menü- und Befehlsnamen ansagt, sodass man das E70 bedienen kann, ohne auf das (gute) Display zu schauen.

Fazit

Insgesamt ist Nokia ein guter Wurf gelungen, das E70 trifft den Nerv der Reisenden, die unterwegs nicht nur telefonieren, sondern auch auf Daten aus dem Internet zugreifen müssen – es ist nahe dran, alle Ansprüche zu erfüllen, die man zurzeit an ein Smartphone stellt und sogar so gut gelungen, dass es für die hauseigenen Modelle der Communicator-Serie eine starke Konkurrenz darstellt. (dz)


Nokia E70
Symbian-Smartphone
HerstellerNokia
Lieferumfang CD-ROM mit Windows-Software, USB-Kabel, Stereo-Freisprecheinrichtung, miniSD-Karte (64 MByte), Bedienungsanleitung (deutsch, 137 Seiten), Netzteil
GPRS-Durchsatz
(Empfangen/Senden)
5,2 KByte/s (5,2 KByte/s)
2,8 KByte/s (2,8 KByte/s)
HSCSD-Durchsatz
(Empfangen/Senden)
3,6 KByte/s (3,6 KByte/s)
2,9 KByte/s (2,9 KByte/s)
UMTS-Durchsatz
(Senden/Empfangen)
42,0 KByte (42,0 KByte)
7,3 KByte (7,3 KByte)
(Dateigröße 2 MByte)
40,3 KByte (40,3 KByte)
7,4 KByte (7,4 KByte)
(Dateigröße 500 KByte)
32,5 KByte (32,5 KByte)
7,4 KByte (7,4 KByte)
(Dateigröße 60 KByte)
Technische DatenHandy-Galerie
Bluetooth-EigenschaftenBluetooth-Datenbank