Mobiles Komplettsystem

Im Herbst 2006 kündigte Nokia das N95 mit großem Tamtam an und schürte damit die Erwartungen an das Super-Foto-Navi-WLAN-Walkman-Smartphone. Doch wurde tatsächlich gesprungen oder haben die Nokia-Ingenieure nur Anlauf genommen?

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Peter Röbke-Doerr
  • Rudolf Opitz

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Im Herbst 2006 kündigte Nokia das N95 mit großem Tamtam an und schürte damit die Erwartungen an das Super-Foto-Navi-WLAN-Walkman-Smartphone. Doch wurde tatsächlich gesprungen oder haben die Nokia-Ingenieure nur Anlauf genommen?

Das Nokia N95 ist ein mit 120 Gramm recht leichtes handliches Schiebe-Modell, das gut in der Hand liegt – schiebt man das Displayteil nach oben, öffnet sich die Handytastatur, schiebt man es nach unten, erscheinen die Tasten für die Playersteuerung. Die Tasten liegen zwar dicht beieinander, sind für eine sichere Bedienung aber groß genug und haben einen deutlichen Druckpunkt.

Das N95 verfügt über komfortable Organizer-Funktionen, leider fehlt eine davon getrennte, terminunabhängige Aufgabenliste. Ein Quickoffice-Viewer zeigt doc-, xls- und ppt-Dateien an. Der Barcode-Leser, der die Kamera des N95 als Scanner nutzt, verlangt allerdings wegen der langsamen Autofokusfunktion viel Geduld.

Per WLAN kann man in Hotspots per VoIP telefonieren. Allerdings fehlt bei den von Vodafone subventionierten Geräten diese Internet-Telefonie-Anwendung – nicht völlig überraschend, aber nachrüstbar.

Die Kamera glänzt mit 5 Megapixeln und einem Carl-Zeiss-Autofokus-Objektiv. Mit einer Fokusssierzeit von etwa zwei bis drei Sekunden, deutlichem Bildrauschen, im Automodus übertriebenen Farbkontrasten und störenden Artefakten an den Bildrändern kommt jedoch nicht die Begeisterung auf, die eine entsprechend ausgestattete Digicam überflüssig machen würde.

Der Audio-Player im N95 spielt WMA-, AAC-, M4A- und MP3-Daten problemlos ab. Der subjektive Klangeindruck ist gut. Das mitgelieferte Headset liefert kräftige Bässe, es lassen sich aber auch beliebige Kopfhörer über eine 3,5-mm-Klinkenbuchse am Gerät anschließen. Der Klang ist über einen 8-Kanal-Equalizer und Presets regelbar. Unsere Audiomessungen ergaben ein hohes Grundrauschen, das über einen guten Kopfhörer deutlich auffällt, der Frequenzgang mit knapp 4 dB Abweichung im Hörbereich ist wenig überzeugend – dabei sind dann die beiden Kanäle auch noch unsymmetrisch. Unsere Bewertung: Für Musik unterwegs reicht der Player, als Zuspieler für die Stereoanlage taugt das N95 nicht.

Mit UMTS, HSDPA bis maximal 3,6 MBit/s, EGPRS (EDGE) und HSCSD sowie WLAN ist das N95 in vielen Netzen zu Hause. Der interne Browser zeigt eine Übersichtsdarstellung mit Miniseiten, RSS-Feeds und bietet eine Popup-Sperre. Via USB-Kabel mit dem Notebook verbunden – Bluetooth ist für HSDPA zu langsam – gefällt das N95 als sehr schnelles Funkmodem (siehe Messwerte).

Navigation

Mit dem im N95 eingebauten GPS-Empfänger und der bereits in der Firmware vorhandenen Navigationssoftware Smart2go bietet Nokia eine integrierte Navi-Anwendung und beschreitet dabei tatsächlich ein paar neue Wege. So handelt es sich im Auslieferungszustand zunächst um eine Navigationshilfe nur für den Beifahrer, denn eine Sprachführung ist nicht vorgesehen. Man kann eine Route vom aktuellen GPS-Standort zu einem beliebigen Ziel eingeben; per Mobilfunk nimmt das Handy Kontakt zu einem Server auf und lädt Kartenmaterial vom Start, vom Ziel und von der Strecke dazwischen auf das Handy herunter. Wer keine Daten-Flatrate hat, kann das Handy auch an den heimischen PC anschließen und diese Kartendaten kostengünstig über das Internet aufs Handy laden. Sobald dies geschehen ist, zeigt das Handy auf dem Bildschirm die Route an. Der Beifahrer kann dann mit der Tastenwippe von Abbiegepunkt zu Abbiegepunkt springen und sich den Streckenverlauf detailliert darstellen lassen. Es handelt sich im Prinzip also um eine aufgebohrte Straßenkarte – nur eben auf dem Bildschirm dargestellt.

Die einmal geladenen Straßendaten werden nicht gelöscht, sondern stehen für weitere Routen zur Verfügung – dann wird aber nicht mehr offboard auf den Server zugegriffen, sondern die Navi-Software rechnet onboard auf dem Handy. Laut Nokia wird in regelmäßigen Abständen die Aktualität der gespeicherten Straßenkarten überprüft.

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Noch handlich: das N95 von Nokia mit nach oben geschobenem Display im Navigationsmodus. Vergrößern

Zum echten Navigerät mit Sprachführung wird das N95 erst durch den Kauf einer Kartenlizenz von Nokia, wobei man die Wahl zwischen Tages- oder auch Mehrjahres-Lizenzen hat. So kosten beispielsweise drei Jahre Deutschland 70 Euro, sieben Tage Frankreich 6,50 Euro. Mit dieser Freischaltung erscheint beim Anklicken des Menüpunktes "Navigieren" die Straßenkarte der aktuellen Position, die zu fahrende Strecke ist blau markiert und eine freundliche Frauenstimme sagt die Abbiegepunkte an.

Die gefundenen Strecken sind durchschnittlich gut, Einordnungshinweise kommen rechtzeitig und klar strukturiert, Folgestrecken werden angesagt und die Lautstärke ist auch im Kleinwagen ausreichend. Insgesamt handelt es sich also um ein ordentliches Navigationsprogramm – wenn man von den teilweise seltsamen Menübezeichnungen absieht.

Nicht wirklich zu Ende gedacht hat Nokia allerdings den Betrieb des N95 im Auto: Es gibt keine Halterung im Zubehör, man ist also auf Fremdanbieter wie beispielsweise Brodit oder auf Universalhalterungen mit Klemmbacken angewiesen. Wirklich praktikabel sind letztere aber nicht, weil die Backen auf eine der seitlichen Tasten für den Kamera-Auslöser oder die Lautstärkeeinstellung drücken. Andererseits kann man das Gerät auch nicht einfach auf den Beifahrersitz legen, denn der GPS-Empfänger ist sehr viel unempfindlicher als Konkurrenzprodukte. Das Gerät muss also unter der Windschutzscheibe liegen. Ein weiteres Manko ist das fehlende Ladekabel zum Betrieb im Auto: Eine Akkulaufzeit von gut drei Stunden bei GPS und voller Beleuchtung reicht nicht für Tagestouren im Auto.

Fazit

Das N95 macht schon äußerlich einen soliden Eindruck, es zeigt eine gelungene Mischung aus Größe, Gewicht und Oberfläche – man nimmt es gern in die Hand. Das Display ist für ein Handy recht groß und lässt sich bei Sonnenschein problemlos ablesen. Durch die Ausstattung mit WLAN, Bluetooth, UMTS und HSDPA ist das Gerät auf alle mobilen Eventualitäten vorbereitet.

Im eingebauten GPS-Empfänger und in der Kamera steckt aber noch Verbesserungspotenzial: Der Empfänger ist unempfindlich und verlangt dadurch eine Befestigung des Geräts direkt unter der Windschutzscheibe. Die Kamera hat eine ungewöhnlich lange Einstellzeit für den Autofokus und zeigt Artefakte an den Bildrändern. (rop)


N95
Multimedia-Smartphone mit GPS
HerstellerNokia
Lieferumfang (*1)Ladegerät, Stereo-Headset, USB-Kabel, AV-Kabel, Software
HSCSD-Durchsatz
(Empfangen/Senden)
3,6 KByte/s (3,6 KByte/s)
2,9 KByte/s (2,9 KByte/s)
EGPRS-Durchsatz
(Empfangen/Senden)
21,5 KByte/s (21,5 KByte/s)
11,6 KByte/s (11,6 KByte/s)
(Dateigröße 60 KByte)
25,1 KByte/s (25,1 KByte/s)
12,5 KByte/s (12,5 KByte/s)
(Dateigröße 500 KByte)
UMTS-Durchsatz
(Empfangen/Senden)
85,1 KByte/s (85,1 KByte/s)
40,9 KByte/s (40,9 KByte/s)
(Dateigröße 60 KByte)
235,8 KByte/s (235,8 KByte/s)
44,9 KByte/s (44,9 KByte/s)
(Dateigröße 500 KByte)
273,1 KByte/s (273,1 KByte/s)
42,9 KByte/s (42,9 KByte/s)
(Dateigröße 2 MByte)
Technische DatenHandy-Galerie
*1 Der Lieferumfang kann je nach Anbieter vom angegebenen abweichen.