CE Week: Der Kampf um den "Second Screen"

Es wird immer selbstverständlicher, parallel zum TV-Genuss etwa Handy oder Tablet als zweiten Bildschirm zu nutzen. Die Großkopferten des TV-Geschäfts, Internet-Größen wie Google und zahlreiche Newcomer buhlen um die Gunst der Zuschauer.

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Second-Screen-Anwendungen gibts nicht nur von Newcomern, sondern auch von den Sendeanstalten selbst, etwa vom ZDF für "Wetten, dass...?"

Parallel zum TV-Genuss einen zweiten Bildschirm wie etwa ein Handy, Tablet oder Notebook zu nutzen ist heute üblich. Nicht selten hängt diese Nutzung mit dem Fernsehprogramm zusammen. Zahlreiche Apps und Webseiten buhlen dabei um die Zuschauer. Nun steigt auch Google in den Ring. Der "2nd Screen Summit" im Rahmen der CE Week in New York erörterte am Donnerstag den Stand der Dinge. Die Hoffnung auf Milliardeneinnahmen ging um. "Zum ersten Mal seit (langer Zeit) gibt es echte neue Werbeflächen", frohlockte Chuck Parker vom Branchenverband 2nd Screen Society.

Die Marktforscher von NPD haben knapp 3.400 US-Amerikaner befragt, die sowohl Fernseher als auch zumindest ein weiteres Gerät aus der Reihe Smartphone, Laptop, Tablet und E-Reader besitzen. 87 Prozent haben dabei angegeben, in den drei Monaten vor der Befragung zumindest einmal beim Fernsehen auch eines dieser Geräte genutzt zu habe. Und bei 35 Prozent stand diese Nutzung eines zweiten Bildschirms in direktem Zusammenhang mit dem gezeigten Programm oder der gezeigten Werbung.

Am Häufigsten wurden dabei Angaben über Schauspieler oder Athleten aufgerufen. An zweiter Stelle folgte die Suche nach Informationen über die Fernsehserie, den Film oder das Sportereignis. Und bereits an dritter Position folgte das Bestellen von oder die Recherche zu Angeboten aus der TV-Werbung.

Letzteres ist für die Werbebranche aber nur eine bedingt gute Nachricht: Gerade bei der werbeinduzierten Aktivitäten war die Altersgruppe der 18- bis 34-jährigen schwächer vertreten als die Gruppen 35 bis 54 und 55+. 18 bis 34 ist die beliebteste Zielgruppe der US-Werbewirtschaft; in dieser Altersschicht ist der TV-Konsum sowieso schon rückläufig. Für manche Fernsehveranstalter ist das kurzfristig gesehen sogar eine gute Nachricht, weil die Preise für Werbung (gemessen in Dollar pro Tausend Zuseher) in dieser Zielgruppe steigen. Langfristig wird das die Reklamebranche aber dazu drängen, nach günstigeren Alternativen zum TV-Spot zu suchen.

Unter allen Websites und Apps, die beim Fernsehen aufgerufen worden, gibt es einen klaren Gewinner: Die Internet Movie Data Base (IMDb). Knapp 39 Prozent der 2nd-Screen-Nutzer haben sie aufgerufen. Rund 11 Prozent widmen sich Apps der Fernsehsendung oder des Senders, weitere zehn Prozent einer App des Kabel-, Satelliten- oder Telekommunikationsanbieters. Etwa neun Prozent tauschen sich mittels Twitter über das aktuelle TV-Programm aus. Im unteren einstelligen Prozentbereich liegen verschiedene programm- und senderunabhängige Apps wie Viggle und GetGlue.

Den Angaben zu Folge dauert eine Viggle-Sitzung im Durchschnitt 73 Minuten. Im Reich der Apps eine Ewigkeit. GetGlue hat über vier Millionen registrierte Nutzer, die sich in der dritten Staffel von Games of Throne in Summe 1,6 Millionen Mal "eingecheckt" haben sollen. Solche Aufmerksamkeit ist für Werbetreibende sehr interessant. Viggle hat im ersten Quartal 2013 mit drei Millionen Nutzern etwa 2,5 Millionen Euro umgesetzt. Da die Marketingausgaben wesentlich höher waren ist Viggle noch ein Verlustgeschäft.

Aber der Markt wächst. Renaud Fuchs von Alvarez and Marsal nannte in seinem Vortrag folgende Zahlen: 2012 wurden mit Werbung und M-Commerce am zweiten Bildschirm weltweit 490 Millionen US-Dollar umgesetzt. 2017 sollen es schon mehrmals 5,9 Milliarden US-Dollar sein, was viele in der Branche als eine sehr konservative Vorhersagen betrachten. Die National Football League hat während der letzten Superbowl schon zwölf Millionen Dollar für Werbung auf zweiten Bildschirmen eingenommen.

Parker hat acht Methoden eruiert, wie mit 2nd-Screen-Apps Geld zu machen ist. Die App kann einen Sponsor haben (1) oder kostenpflichtig sein (2). Reklame kann in Form von statischen Anzeigen (3), Videos (4) und interaktiver Werbung (5) angezeigt werden. Werden diese Einblendungen mit der TV-Werbung synchronisiert, kann ein Vielfaches des üblichen Preises erzielt werden.

Auch syndizierte Inhalte (6) wie Statistiken und zusätzlichen Audio- oder Videoinhalten, die zum Programm gehören, können versilbert werden. Die US-Baseballliga hat die kommerziell erfolgreichste iOS-App überhaupt und auch die Formel 1 ist hier schon unterwegs. Dazu kommen noch Umsatzbeteiligungen an M-Commerce (7) und so genannte Tune-In-Apps. Letztere regen zum Umschalten auf ein anderes Programm an, und im Erfolgsfall (beispielsweise verifiziert durch das Handymikrophon) erhält der App-Anbieter eine Prämie (8) von der profitierenden Sendeanstalt.

Das Phänomen des zweiten Bildschirms geht aber über die Fernsehbegleitung hinaus. Radio, Videospiele, Außenwerbung, Live-Veranstaltungen aller Art und sogar Kinofilme werden als Betätigungsfelder ausgemacht. Beispielsweise wurden Kinobesucher bei einem speziellen Film aufgefordert, eine passende App am Handy zu aktivieren. Wenn eine der Figuren im Film ein SMS verschickte, wurde es auf den Mobiltelefonen im Kinosaal angezeigt.

Werbeagenturen werden von dem neuen Trend jedenfalls profitieren. Auch für die Produzenten von Serien und Filmen und Sportveranstalter eröffnen sich neue Geldquellen. Ob die Fernsehender zu den Gewinnern oder Verlierern zählen werden, ist offen. Verschieben sich Werbeausgaben von TV-Spots zu den Apps? Oder können die Sender zur Drehscheibe für die begehrten synchronisierten Werbebotschaften, die gleichzeitig am ersten und zweiten Bildschirm aufleuchten, werden? Oder aber können sie mit einem Hinweis auf die stark involvierte Seherschaft direkt den Preis für die klassischen Werbespots erhöhen? Wahrscheinlich wird es in bisschen von allem sein.

Google will jedenfalls auch ein Stück vom Kuchen haben. Seit Neustem soll Google Now die meistgesuchten Informationen über Schauspieler und Sendung selbsttätig auf dem Android-Gerät des Nutzers einblenden. Er soll gar nicht erst den Weg zu IMDb oder einer App suchen. Noch ist dafür aber ein Smart-TV mit drahtloser Netzwerkverbindung erforderlich. (jk)