Abhör-Skandal Tempora: Forscher basteln an neuer Internetstruktur

Tempora hat gezeigt: Geheimdiensten reicht ein einziges Glasfaserkabel, um einen Großteil des Datenstroms abzugreifen. Ein EU-Projekt könnte das ändern.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Knapp fünf Millionen Euro steckt EU-Kommissarin Neelie Kroes bis Ende 2015 in das CONFINE-Projekt (Community Networks Testbed for the Future Internet). Es soll das Netz dezentraler machen als bisher – und damit der Kontrolle durch Staaten und Konzerne möglichst weit entziehen. Ziel ist der Aufbau eines europaweiten Netzes, in dem die Stärken und Schwächen des Ansatzes unter realistischen Bedingungen getestet werden sollen.

Derzeit sind nur die wenigsten Internetteilnehmer mit vielen anderen Rechnern vernetzt. Die übergroße Mehrzahl aller Computer, Smartphones und Tablets ist nur über eine einzige Route mit dem Internet verbunden: ihren Internet-Provider. Genau das will die EU ändern und setzt dabei auf unabhängige „Community-Netzwerke“, berichtete Technology Review in seiner Juni-Titelgeschichte „Die Rückeroberung des Internets “ (Ausgabe 6/2013 online bestellbar).

Weltweit arbeiten Aktivisten an selbstorganisierten Computernetzen, die in einigen europäischen Regionen eine mittlerweile beachtliche Größe erreicht haben. In Katalonien, im Großraum Barcelona sind rund 19.000 Menschen über Guifi.net verbunden, das sogar die 14 Kilometer breite Straße von Gibraltar überbrückt und damit bis nach Nordafrika reicht. In Athen gibt es ein Netz, das zwar nur 5000 Rechner verbindet, aber zahlreiche eigene Dienste bietet wie eine Suchmaschine, Streaming mit Internetradio und kostenloser Internettelefonie.

Community-Netze, sagt Projektleiter Leandro Navarro von der Universitat Politècnica de Catalunya in Barcelona, hätten gegenüber kommerziellen Internet-Providern drei Vorteile: Sie verwenden möglichst günstige Hardware, die wenig Energie verbraucht. Sie bilden nicht nur eine technische Infrastruktur, sondern gleichzeitig auch ein lebendiges soziales Netz. Damit verbreiten sie gleichzeitig technisches Wissen. Und sie sind – weil sie dezentral organisiert sind – sehr viel besser gefeit vor technischen Störungen, plötzlichen Lastschwankungen, politischen Blockadeversuchen und Abhöraktivitäten.

Mehr in Technology Review 06/2013:

(jlu)