Österreichs IT-Branche gegen Vorratsdatenspeicherung und Bundestrojaner

Vertreter der österreichischen Wirtschaft äußerten scharfe Kritik an von der Regierung geplanten Maßnahmen und warnten vor einer "Überwachungslawine", die zudem nicht effizient sei.

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Kritische Worte zur beabsichtigten Vorratsdatenspeicherung, zum novellierten Sicherheitspolizeigesetz und zum vom österreichischen Innenminister Günther Platter (ÖVP) geplanten Bundestrojaner (Online-Durchsuchung) fanden heute die Bundessparte Information und Consulting der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ-BSIC) und die Internet Service Provider Association Austria (ISPA) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien. "Es ist eine Überwachungslawine, die letztes Jahr über uns hereingebrochen ist im Internet", sagte ISPA-Präsident Roland Türke.

Das Internet sei keine Ermittlungsmaschine, bei der man auf einen Knopf drücken könne, um ein Ergebnis zu bekommen. Die von der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vorgesehenen Maßnahmen gingen über das Ziel hinaus. "Die Effizienz ist viel zu gering, um die Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen", betonte Türke. Um die technischen Probleme mit der Vorratsdatenspeicherung deutlich zu machen, hat die ISPA an der Universität Wien eine wissenschaftliche Studie (PDF-Datei) in Auftrag gegeben, die sich mit den Auswirkungen der Data Retention befasst.

Studien-Mitautor Wilfried Gansterer stellte fest, dass anonymer Internet-Zugang weiterhin möglich sei. Viele für die Überwachung des E-Mail-Verkehrs geforderten Daten seien gar nicht vorhanden. Zudem sei ein Großteil der vorhandenen Daten weder verifizierbar noch authentifizierbar und daher für Strafverfolgungen wertlos. Überhaupt seien 80 bis 90 Prozent aller E-Mails Spam, womit fast 60 Prozent des gesamten Speicherbedarfs im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung nur für Daten über Spam verbraucht werde.

Auf einen ISP mit 500.000 Kunden, der 300 Behördenanfragen pro Monat zu bearbeiten habe, kämen im ersten Jahr eine Million Euro, in jedem Folgejahr eine halbe Million Euro an Kosten für die Vorratsdatenspeicherung zu. Pro Kunde sind das zwei respektive ein Euro pro Jahr. Zusätzlich müssten noch Aufwendungen für den Integritätsschutz, gegen den Zugriff durch Unbefugte und für Missbrauchsschutz finanziert werden. "Ein halbgebildeter Krimineller braucht genau eine halbe Stunde, bis er das System umgehen kann", relativierte Türke die Sinnhaftigkeit des Unterfangens.

ISPA-Vorstandsmitglied Wolfgang Schwabl, der bei Telekom Austria für Datensicherheit zuständig ist, lobte den österreichischen Gesetzgeber für die Nicht-Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung: Er "wünsche dem Gesetzgeber die Weisheit", dies auch künftig nicht zu tun. Auch Türke rief das Parlament dazu auf, sich Zeit zu lassen und keinen Hüftschuss zu wagen. Die vorsichtige Herangehensweise von Verkehrsminister Werner Faymann und Justizministerin Maria Berger wurden positiv herausgestrichen. ISPA und WKÖ-BSIC fordern eine Überarbeitung der Richtlinie auf EU-Ebene.

Den Bundestrojaner bezeichnete Schwabl als "größten Lauschangriff" überhaupt. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Karl "Korinek hat gesagt: 'Österreich ist am Rande zum Überwachungsstaat.' Dem kann ich mich nur anschließen", so Schwabl. ISPA und WKÖ-BSIC lehnen die Einführung der Online-Durchsuchung ab. Sie befürchten unter anderem, dass die Internet-Nutzung durch die zunehmende Überwachung abnimmt. Außerdem würden durch solche Trojaner die Sicherheitsbemühungen der gesamten Branche konterkariert.

"Wer kontrolliert den Bundestrojaner? Gibt es da ein Zauberpasswort? Und was können diejenigen machen, die es haben?", fragte Schwabl. Die Installation einer solchen Software stelle in jedem Fall auch eine Manipulation des jeweiligen Computersystems dar. Daher sei fraglich, ob die damit gewonnenen Daten überhaupt als Beweise brauchbar seien.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Daniel AJ Sokolov) / (vbr)