Experten kritisieren US-Ethanol-Vorgaben

Die Biodiesel-Produktion aus Mais soll sich in Nordamerika bis 2015 mehr als verdoppeln.

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Nur wenige Ereignisse führen dazu, dass die Politik in Washington ihren Glauben an die Effizienz des freien Marktes verliert. Ein Rohölpreis von mehr als 100 Dollar pro Barrel beispielsweise: Als sich das schwarze Gold im vergangenen Jahr dieser Marke näherte, verabschiedete der US-Kongress erstaunlich schnell ein neues Energiegesetz, den "Energy Independence and Security Act of 2007", mit dem man dem Problem entgegen treten wollte. Präsident Bush unterschrieb zügig.

Unter anderem schreibt das Paragraphenwerk ein Mindestmaß an Biotreibstoffen vor, das die Benzinhersteller jedes Jahr in ihre Produkte mischen müssen, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in einer ausführlichen Analyse in seiner Online-Ausgabe. Das neue Gesetz, das den bestehenden US-Standard für Treibstoffe aus erneuerbare Energien aus dem Jahr 2005 deutlich erweitert, soll die Produktion von aus Mais hergestelltem Ethanol bis 2015 mehr als verdoppeln – auf 56 Milliarden Liter. Gleichzeitig will die Regierung sicherstellen, dass ein neuer Markt für Treibstoffe auf Basis zellulosehaltiger Biomasse entsteht – hergestellt aus Quellen wie Switchgrass, Holzchips oder Agrarabfällen.

Kein Wunder, dass man in der Ethanol-Industrie des Landes über die Regelung sehr glücklich ist. Die "Biotechnology Industry Organization", ein Washingtoner Lobbyverband, der sowohl die großen Mais-Produzenten als auch die jungen Start-ups mit ihrer Zellulose-Technik repräsentiert, fühlt sich gar an historische Zeiten erinnert. Das Vorhaben der US-Regierung sei "größer als die Apollo-Mission oder das Manhattan Project". 300 neue Ethanol-Großanlagen mit einer Kapazität von 380 Millionen Litern pro Stück müssen gebaut werden, 100 Milliarden Dollar soll das kosten.

Doch es gibt auch massive Kritik an dem Vorhaben – sowohl aus Kreisen von Ökonomen als auch unter Experten für erneuerbare Energieformen. Der gesetzlich vorgeschriebene Ethanol-Verbrauch zerstöre die "direkte Verbindung zwischen der Marktnachfrage und der Annahme neuer Technologien", meint beispielsweise Harry de Gorter, Dozent für angewandte Wirtschaftswissenschaften an der Cornell University. "Als Ökonom mag ich das gar nicht. Ich und meine Kollegen sind normalerweise dafür, dass der Markt festlegt, welche Technologie die besten Chancen hat." Die neue Biotreibstoffverfügung setze hingegen nur auf eine. "Es ist aber nahezu unmöglich, die beste Technologie vorherzusagen."

Einer der Hauptgründe dafür, dass es Kritik gibt, sind die möglichen weitgehenden Konsequenzen auf die Agrarmärkte. 56 Milliarden Liter konventionelles Ethanol würde bedeuten, dass die Bauern wesentlich mehr Mais anbauen müssten, als sie es heute tun. Und selbst mit einer größeren Ernte würde das dazu führen, dass die Biotreibstoff-Produktion plötzlich rund 45 Prozent des amerikanischen Mais-Anbaus ausmachen würde – 2007 waren es gerade einmal 22 Prozent. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft dürften also breit und komplex sein. Auch die Preise für Lebensmittel steigen, weil ein Großteil der Ernte derzeit zum Mästen von Vieh verwendet wird. Bereits jetzt stiegen die Maispreise um 20 Prozent.

An der Purdue University erforscht unterdessen Wallace Tyner, Professor für Agrarökonomie, welche Auswirkungen die neuen gesetzlichen Vorgaben auf die Wirtschaftlichkeit der aktuellen Ethanol-aus-Mais-Technologie haben. Zu den wohl wichtigsten Erkenntnissen, die er gewinnen konnte, gehört, dass der Biotreibstoff auch dann noch im Wettbewerb mit Öl unterliegen dürfte, wenn die volle Produktionskapazität erreicht ist. Der Grund: Durch die Beimischungsvorgaben ist Ethanol direkt an den Benzinpreis gekoppelt.

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(bsc)