Bundesregierung sieht Sperrungsverfügungen gegen Provider als "ultima ratio"

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht Sperrungsanordnungen gegen Provider vor allem dann als gerechtfertigt an, wenn eine hierzulande illegale Tat im Ausland begangen und dort nicht als Rechtsverletzung angesehen wird.

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Die Bundesregierung hält die heftig umstrittenen Sperrungsanordnungen gegen Provider vor allem dann als letztes Mittel gerechtfertigt, wenn eine hierzulande illegale Tat im Ausland begangen und dort nicht als Rechtsverletzung angesehen wird. Dies geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Gisela Piltz und Hans-Joachim Otto hervor, die heise online vorliegt. Praktisch könnte sich dieses Prinzip etwa auf Fälle beziehen, in denen es international unterschiedliche Auffassungen über die Tragweite der Meinungsfreiheit gibt.

Laut der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums ist davon auszugehen, dass sich behördliche Sperrungsverfügungen wie die in Nordrhein-Westfalen auf das Beseitigen von "Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" richten. Damit würden sie allein in den Aufgabenbereich der Bundesländer fallen, drückt sich das Haus von Minister Michael Glos (CSU) um eine klare eigene Positionierung.

Die zuständigen Länder wenden das scharfe Schwert der Anordnung der Blockade einzelner Webseiten oder Domains gegen Zugangsanbieter nach Auffassung der Bundesregierung "gegebenenfalls als ultima ratio" an, wenn sich Maßnahmen gegenüber den eigentlichen Verursachern der Inhalte nach dem Telemediengesetz (TMG) als "nicht durchführbar oder nicht Erfolg versprechend erweisen". Die Bundesregierung bezieht sich dabei auf Paragraph 7 TMG, wonach "Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind". Die im TMG umrissenen Haftungsprivilegien hält das Wirtschaftsministerium bei behördlichen Sperrungsverfügungen dagegen nicht für relevant. Laut Paragraph 8 können Provider für von ihnen zugänglich gemachte fremde Inhalte eigentlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie die Übermittlung nicht veranlasst sowie den Adressaten und die überbrachten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.

Diese Bestimmungen zur Verantwortlichkeit der Diensteanbieter beträfen aber nur die "straf- oder zivilrechtliche Verschuldenshaftung". Sie würden sich dagegen nicht beziehen lassen auf "die verschuldensunabhängige Inanspruchnahme als Störer", spricht sich das Ministerium für eine weite Fassung der so genannten Störerhaftung aus. Fälle, in denen die Staatsmacht bislang Sperrungsverfügungen erließ, hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben "nicht im Einzelnen geprüft". Grundsätzlich habe dabei eine Abwägung des öffentlich-rechtlichen Interesses an der Blockade unzulässiger Inhalte mit der Meinungsfreiheit sowie anderer betroffener Grundrechte "im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung" zu erfolgen. Diese unterliege der Überprüfung der zuständigen Verwaltungsgerichte. Die genaue Bestimmung zu sperrender Inhalte sei eine Frage des Einzelfalls. Die zuständige Verwaltungsbehörde habe dabei darauf zu achten, dass dem Provider eine "gezielte Sperrung eines rechtswidrigen Inhalts technisch möglich und zuzumuten ist".

Zur Problematik von Sperrungsverfügungen im zivilrechtlichen Bereich äußert sich das Wirtschaftsministerium nicht. Land- und Oberlandesgerichte sind hier in jüngster Zeit dazu übergegangen, die Leistung des Zugangsanbieters als inhaltsneutral zu beschreiben. Provider sind als bloße Vermittler von Internetseiten demnach etwa nicht für Wettbewerbsverstöße verantwortlich, die auf Seiten Dritter begangen werden. Es sei auch nicht zumutbar, Seiten etwa von Google vollständig für alle Kunden zu sperren. Noch offen ist aber eine einstweilige Verfügung zur Sperrung der Sexseite YouPorn.com gegen den Eschborner Provider Arcor, der gegen die Entscheidung Widerspruch eingelegt hat. (Stefan Krempl) / (jk)