Tausende BĂĽrger wollen gegen Vorratsdatenspeicherung klagen

Nach den bisher eingegangenen Vollmachten und elektronischen Anmeldungen schätzt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung mit einer Rekordbeteiligung an der angekündigten Verfassungsbeschwerde.

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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat seit dem Aufruf zur Sammelklage gegen die von der Koalition geplante Einführung der Vorratsdatenspeicherung vor etwa einem Jahr knapp 7000 dafür nötige schriftliche Vollmachten eingesammelt. Dazu kommen 20.000 elektronische Anmeldungen, heißt es in einer Mitteilung des Zusammenschlusses von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern. Damit könne die geplante Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung den Rekord von 2004 brechen, als 6575 Menschen gegen die Streichung von Naturarzneimitteln aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung geklagt hatten.

Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss sagte gestern, die Koalition wolle den vorliegenden Gesetzentwurf Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung mit nur geringfügigen Änderungen nächste Woche verabschieden. Eingereicht werden soll die Verfassungsbeschwerde, falls die Vorratsdatenspeicherung in Kraft tritt, voraussichtlich zum 1. Januar 2008. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung bereitet bundesweite Protestaktionen gegen das Gesetz vor, die Dienstag kommender Woche in 28 deutschen Städten stattfinden sollen. Im September waren bereits 15.000 Menschen in Berlin gegen das Vorhaben auf die Straße gegangen.

Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat sich derweil im Deutschlandfunk zu der angestrebten Massenklage geäußert. Er könne nicht beurteilen, ob es sich um eine "politische Show" handele oder ob die Proteste "auf ernsthaften problemorientierten Beurteilungen eines Großteils der Bevölkerung beruht". Sein Gericht sei gewappnet, mit der großen Zahl an möglichen Klägern zurechtzukommen. Allerdings sei das Bundesverfassungsgericht im Fall der Vorratsdatenspeicherung nur "partiell" zuständig, da diese auf einer EG-Richtlinie basiert. Soweit der Bundestag lediglich "zwingendes Gemeinschaftsrecht" umzusetzen habe, sei zunächst der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zuständig. Gegen die europäische Richtlinie ist beim EuGH bereits seit 2006 eine Klage Irlands anhängig.

Der Entwurf der Verfassungsbeschwerde des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung sieht vor, dass das Bundesverfassungsgericht die Datenspeicherung durch einstweilige Anordnung aussetzen soll, um durch den Europäischen Gerichtshof klären zu lassen, ob die europäische Richtlinie mit den Grundrechten vereinbar ist. Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung vermuten, dass der EuGH die Richtlinie demnächst schon aus formalen Gründen aufheben werde. Dann könne das Bundesverfassungsgericht das deutsche Umsetzungsgesetz für verfassungswidrig erklären.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(anw)