Dem FBI wird erneut Missbrauch von Anti-Terror-Befugnissen bescheinigt

Das US-Justizministerium hat der Polizeibehörde nachgewiesen, die weitgehenden Befugnisse zur Durchleuchtung Verdächtiger im Patriot Act überdehnt und pauschale Auskunftsersuchen etwa nach Telefondaten gestellt zu haben.

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Das US-Justizministerium hat dem FBI wiederum nachgewiesen, die weitgehenden Lizenzen zur Durchleuchtung Verdächtiger im Anti-Terror-Paket Patriot Act gehörig überdehnt zu haben. Laut einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht (PDF-Datei) des Generalinspekteurs des Ministeriums, Glenn Fine, hat sich der unrechtmäßige Umgang mit dem Ermittlungsinstrument der National Security Letters (NSL) im Untersuchungszeitraum nicht wirklich gebessert.

Zwischen 2003 und 2006 hat das FBI demnach 200.000 dieser Briefe zur Abfrage von Verbindungsdaten und anderer persönlicher Nutzerinformationen an Telekommunikationsfirmen sowie weitere private Institutionen wie Banken verschickt. In hunderten Fällen haben die Ermittler dabei dem Report nach gegen die gesetzlichen Auflagen oder interne Richtlinien verstoßen. So sollen die Agenten etwa mehr Daten als zulässig eingesammelt oder auf Auskünfte auch ohne richtige Vollmacht bestanden haben.

Als besonders "Besorgnis erregend" bezeichnete Fine eine Entwicklung in Zusammenhang mit einem zweiten, an vielen Stellen geschwärzten Bericht (PDF-Datei) zum Missbrauch besonders breiter Informationsabfragen auf Basis des Paragraphen 215 des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA). Diese Auskunftsrechte müssen in der Regel von einem Sondergericht erteilt werden. Die entsprechende Auflage umging das FBI aber in mehreren Fällen, indem es die gleichen Datentypen nach einem Veto der Richter mit einem NSL verlangte. Elfmal sollen die Polizisten zudem mit einem einzigen pauschalen Blanko-Ersuchen Tausende Verbindungsdaten im Bereich Telefonie und Internet auf einen Streich abgefragt haben, obwohl dafür eigentlich separate Anordnungen nötig gewesen wären.

Diese Praxis hat laut New York Times der ehemalige FBI-Agent Bassem Youssef ans Licht gebracht. Mit den Pauschalbegehren wollte die Behörde dem "Whistleblower" zufolge die bereits im Vorjahr aufgedeckten Missbrauchsfälle kaschieren, in denen unter Ermittler unter Berufung auf angebliche Gefahren für hochrangige Rechtsgüter fälschlicherweise Eilanordnungen an Provider gesandt hatten. Damals hatte das FBI dem Zeitungsbericht nach versprochen, ausführliche Begründungen für die Ausnahmebefugnisse im Einzelfall nachzuliefern. Stattdessen seien die unter Argumentationsdruck stehenden Ermittler auf die Idee gekommen, die pauschalen National Security Letters zu verschicken.

In zwei Fällen sollen Firmen zudem aus Versehen mehr Informationen ans FBI geliefert haben, als dieses verlangte. Erst jüngst war bekannt geworden, dass ein Internetanbieter der Polizeibehörde im Rahmen eines "Missverständnisses" E-Mails aus einer ganzen Domain statt der bezeichneten konkreten Adressen überstellte. Ein andermal stufte das FBI persönliche Daten, die ein Unternehmen der Behörde fälschlicherweise noch nach Ablaufen einer Überwachungsanordnung zukommen ließ, einfach als "freiwillige Lieferung" ein. Insgesamt werfen die beiden Regierungsberichte kein gutes Licht auf die Bemühungen von Telcos und US-Präsident George W. Bush, den privaten Hilfssheriffs im Rahmen der umkämpften FISA-Novelle nachträglich Straffreiheit für sämtliche Rechtsverletzungen beim Befolgen staatlicher Überwachungswünsche zuzusichern.

Vertreter des FBI räumten die Vergehen ein und erkannten die Notwendigkeit einer stärkeren Kontrolle über den Einsatz der "Dringlichkeitsbriefe" zum Schutz der inneren Sicherheit an. Zugleich hieß es aber, dass im vergangenen Jahr bereits getroffene Verfahrensprüfungen von den Berichten zwangsläufig noch nicht hätten berücksichtigt werden können. Fine zeigte sich trotzdem skeptisch, dass die neuen internen Kontrollen dem Missbrauch Einhalt gebieten können. Bürgerrechtler von der American Civil Liberties Union (ACLU) beklagten, dass das FBI die eingeräumten Anti-Terror-Befugnisse zum Umgehen jeglicher richterlicher Aufsicht und der rechtlichen Anforderungen nutze. Ein Dorn im Auge ist ihnen ferner, dass sich die Bespitzelungsmaßnahmen verstärkt gegen US-Bürger richten. (Stefan Krempl) / (ad)