Studie: Vorratsdatenspeicherung nutzt der Strafverfolgung kaum

Datenschützer haben Teile des lange geheim gehaltenen Gutachtens veröffentlicht, wonach die umstrittene Massendatenlagerung nur in vier Prozent der Fälle eventuell die Aufklärungsquote gesteigert hätte.

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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat Teile des vom Bundesjustizministeriums lange auch vor dem Bundestag geheim gehaltenen Gutachtens des Max-Planck-Instituts für Strafrecht veröffentlicht (PDF-Datei). Demnach hätte die umstrittene Pflicht zur sechsmonatigen anlassunabhängigen Protokollierung von Telefon- und Internetdaten nur in unter fünf Prozent der analysierten Fälle eventuell die Aufklärungsquote gesteigert. Laut der repräsentativen Aktenanalyse, die sich auf die Jahre 2003 und 2004 bezieht, konnten allein bei vier Prozent der Zielanschlüsse die Verbindungsdaten nicht erlangt werden, weil sie nicht oder nicht mehr vollständig gespeichert waren.

Mit dieser Zahl ist aber noch wenig über die mögliche Effizienz der Vorratsdatenspeicherung gesagt. Das Gutachten schätzt, dass im Untersuchungsjahr 2005 insgesamt 40.000 Beschlüsse zur Herausgabe von Verbindungsdaten erlassen wurden. Man könne anhand des Datenmaterials von 2,7 Beschlüssen pro Verfahren ausgehen, rechnet der Arbeitskreis vor. Somit dürften vor drei Jahren etwa in 15.000 Ermittlungsverfahren bundesweit Verbindungsdaten erhoben worden sein. Wenn in vier Prozent dieser Verfahren Anfragen mangels gespeicherter Daten ergebnislos blieben, betreffe dies etwa 600 Verfahren bundesweit. Das seien 0,01 Prozent der in den Jahren 2003 und 2004 jeweils rund 4,9 Millionen Ermittlungsverfahren.

Um den möglichen Nutzen der Paragraphen 113a und b zur Verbindungsdatenabfrage zu Strafverfolgungszwecken im Telekommunikationsgesetz (TKG) zu ermitteln, müsse laut dem Arbeitskreis aber zunächst noch das Drittel der Verfahren abgezogen werden, die auf anderem Wege aufgeklärt werden konnten. Weiter zu berücksichtigen sei etwa ein Viertel der Verfahren, die auch bei vorhandenen Daten eingestellt worden wären. Daraus ergibt sich laut dem Arbeitskreis, dass die Verfolgung von Straftaten im Untersuchungszeitraum zu gerade einmal 0,002 Prozent durch eine Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten hätte verbessert werden können. Allein durch Zufälle und statistische Einflüsse schwanke die jährliche Zahl der aufgeklärten Straftaten um ein Hundertfaches dieses Betrags. Dass die Erwartungen der Ermittler an die Vorratsdatenspeicherung zu hoch liegen könnten, hatte zuvor just bereits auch eine Studie des Bundeskriminalamtes (BKA) nahegelegt. Demnach könnte die Aufzeichnung der Nutzerspuren die Aufklärungsquote "von derzeit 55 Prozent im besten Fall auf 55,006 Prozent" erhöhen.

Die Zahl der Abfragen von Verbindungsdaten ist dem Gutachten zufolge trotzdem seit Jahren exponentiell angestiegen – auf 41.000 im Jahr 2005. Neuere Angaben (PDF-Datei) aus Bayern belegen, dass das Wachstum zumindest im Freistaat weiter stark zunimmt. Darin ist von Steigerungsraten von 60 Prozent von 2006 auf 2007 die Rede. Den Forschern zufolge kritisieren Experten vermehrt, dass die Ermittler unverhältnismäßig häufig auf Verbindungs- und Standortdaten zugreifen. Statistisch gesehen ging es in 50 Prozent der Verfahren mit Abfragen von IP-Adressen um Betrug, in 25 Prozent um Urheberrechtsdelikte.

Die Studie warnt zudem, dass sich durch die zusätzlichen Datenbestände neue Missbrauchsgefahren etwa durch unberechtigte Zugriffe von innen oder außen eröffnen. Ferner steige das Potenzial "für die strategische Überwachung" größerer Gruppen wie etwa in sozialen Netzwerken.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)