Bleibt Strom aus der Wüste eine Fata Morgana?

Die Euphorie war riesig, als sich 2009 deutsche Unternehmen zur Initiative Desertec zusammenschlossen. In der Wüste sollten riesige Ökostromkraftwerke entstehen, um Strom für Europa zu produzieren. Jetzt sind die Zweifel größer denn je.

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Von
  • Erik Nebel
  • dpa

Wieder könnte eine große Hoffnung für die Energiewende platzen. Vier Jahre nach dem Start ist die Zukunft des Wüstenstromprojekts Desertec ungewisser denn je. Im Hintergrund ist ein heftiger Streit entbrannt, wie das Projekt umgesetzt werden kann. Die einen halten zunächst eher kleine Schritte für realistisch, die anderen befürchten, dass so die ganze Vision auf dem Spiel stehen könnte. Am Wochenende gab es einen großen Knall. Mit der Desertec Foundation zieht sich der eigentliche Ideengeber aus dem Projekt zurück. Auch andere Mitglieder zweifeln.

Die Pläne für große Solarkraftwerke in der Wüste liegen erstmal auf Eis.

(Bild: Desertec)

Dabei schien die Vision brillant. Die menschenleeren Wüsten sollten sauberen Strom produzieren und so die Energieprobleme in Europa lösen. Und dann taten sich auch noch zahlreiche deutsche Konzerne mit den visionären Ideenentwicklern zusammen. Sie gründeten 2009 die Dii (Desertec Industrial Initiative), die die Möglichkeiten für die Umsetzung der Ideen in Nordafrika und dem Nahen Osten ausloten und schon erste Projekte starten sollte.

Trotz der erwarteten gigantischen Investitionssumme von 400 Milliarden Euro schien die Idee plötzlich realistisch und elektrisierte die ganze Nation. Doch es klang wohl alles zu schön, um wahr zu sein. Schon damals unkte der inzwischen verstorbene Politiker und Solarpionier Hermann Scheer (SPD), dass Desertec eine Fata Morgana sei.

In den vergangenen vier Jahren blieb Dii nicht untätig. Zwar musste Geschäftsführer Paul van Son immer wieder vor zu großen Erwartungen warnen. Sein Team leistete zugleich Pionierarbeit und klapperte etwa praktisch ganz Nordafrika nach guten Standorten für Sonnen- und Windprojekte ab. Zudem gewann er Teilhaber in den beteiligten Ländern.

Doch politische und wirtschaftliche Umstände machten Desertec das Leben schwer. So ist die unsichere Lage in Nordafrika seit dem Arabischen Frühling für Investitionen Gift. Hinzu kommt die Schulden- und Wirtschaftskrise in Europa. Für Projekte außerhalb das Kontinents ist kaum Geld da. Und auch die Energiewende in Deutschland war zuletzt eher kontraproduktiv für Desertec. Denn die hohen Ausgaben für die Förderung von inländischem Ökostrom haben die deutschen Stromkunden schon jetzt ausgelaugt. Zudem führt der Ökostromboom hierzulande dazu, dass es zu viel Strom in Europa gibt.

Wer braucht also noch Strom aus der Wüste? Die Konzerne Siemens und Bosch beantworteten die Frage schon für sich und erklärten ihren Ausstieg. Auch Dii selbst ist sehr vorsichtig und schlug zuletzt vor, erstmal mit zwei kleinen Projekten zu beginnen. Stromlieferungen nach Europa sollten dabei – so der Vorwurf der Kritiker – nicht mehr im Vordergrund stehen.

Für die Desertec-Stiftung ist das der Anlass, um die Notbremse zu ziehen. "Das Konzept der Industrie hat sich zu sehr von unseren Vorstellungen entfernt", sagt Stiftungs-Direktor Thiemo Gropp. "Die Interessenlage zwischen Industrie und Gemeinwohl sind häufig unterschiedlich, das war hier bisweilen das Problem." Die Stiftung hat ein Druckmittel in der Hand – die Rechte am Namen Desertec. Sie will der Industrie die Verwendung dieses Titels nun untersagen.

Ist damit aber Desertec ganz tot? "Wir sind weiterhin von der Wüstenstrom-Idee überzeugt", sagt eine Sprecherin von Dii-Mitglied RWE. Zugleich kündigt sie aber auch an, die Situation bei Dii zusammen mit den anderen Partnern zu analysieren. Die Stiftung selbst will sich nun auf Projekte in Chile und Peru, Japan und China sowie vor allem in Saudi-Arabien konzentrieren. Aber auch für Projekte in Nordafrika ist noch nicht aller Tage Abend. "Wir sind offen für alles", sagt Gropp auf die Frage, ob eine Zusammenarbeit mit einem neuen Management bei der Industrieinitiative noch möglich sei. (axk)