Business Architecture auf dem Weg zum Mainstream

Business Architecture etabliert sich als verbindende und steuernde Disziplin zwischen Management und IT.

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Von
  • Michael P. Wagner
Inhaltsverzeichnis

Business Architecture etabliert sich als verbindende und steuernde Disziplin zwischen Management und IT. Eine Veranstaltung der Object Management Group in Berlin brachte erstmals weltweite Erfahrungen aus der Praxis zusammen.

Manager müssen keine Business-Architekten sein, aber sie müssen deren Pläne anwenden können. Diese Erkenntnis stand im Mittelpunkt des Business Architecture Innovation Summit, den die Standardisierungsorganisation Object Management Group (OMG) Mitte Juni in Berlin veranstaltete.

Die Vortragenden waren sich einig: Business Architecture (BA) entwächst den Kinderschuhen und wird zunehmend vom Top-Management als Sparringspartner für die Weiterentwicklung der Unternehmen und der IT akzeptiert. Schlüssel dazu ist die Emanzipation der BA von den Wurzeln im Enterprise Architecture Management (EAM) und von der Wahrnehmung als Aufgabe der IT-Abteilung. Erfolgreiche BA-Gruppen werden unisono nicht als Teil der IT wahrgenommen, auch wenn sie organisatorisch dort angesiedelt sind, sondern als integraler Bestandteil der Unternehmensplanung. Dass die BA-Gruppen mit ihren Plänen die Weiterentwicklung der IT steuern, ist ein willkommener Effekt, entscheidend ist aber, dass die Business Architecture die gleiche Sprache spricht wie das Management und von diesem aktiv genutzt wird.

Was die Business-Architektur erreichen kann, belegten eindrucksvoll die vielen Anwenderberichte. So zeigte Diana Krohn von United Airlines, wie sich der Firmenzusammenschluss mit Continental Airlines erfolgreich planen und steuern ließ und dass nicht immer der Stärkere die Nase vorne haben muss. Eine mit der Fusionsentscheidung begonnene Analyse zeigte schnell, dass Prozesse und Systeme von Continental denen von United in vielen Fällen überlegen waren. Auf Basis der Business-Architecture-Pläne wurde die Zusammenlegung des operativen Geschäfts "über und unter dem Flügel" geplant. Von der Routenplanung über die Piloten und die Passagierabfertigung bis zum Bodenpersonal und der Wartung identifizierte man die Prozesse und Systeme, die ab dem Stichtag gemeinsam genutzt werden sollten.

Neben den notwendigen Anpassungen der IT-Systeme bereitete insbesondere die zeitnahe Schulung des Personals Probleme. Wie sich aufgrund der Prozesskarten herausstellte, änderte sich zum  als extremes Beispiel für einen United Mitarbeiter in der Personalabfertigung zum Stichtag seine gesamte Tätigkeit, während in anderen Bereichen weit weniger Umstellungen zu bewältigen waren. Die Business-Architektur half mit ihrer gesamtheitlichen Sicht aller Geschäftsprozesse auch bei der Planung der Migration der Systeme, die nur ein Zeitfenster von 30 Minuten für die Go/No-Go-Entscheidung zuließ, da man in der Luft befindliche Flugzeuge nicht warten lassen kann.

Weniger spektakulär, aber nicht weniger eindrucksvoll schilderte Tim Blaxall die Bemühungen der Global-Life-Tochter der Zurich Versicherung, einen weltweit einheitlichen Operationsprozess zu etablieren. Schon die Aufnahme der bestehenden Prozesse drohte an der Komplexität zu scheitern, sodass man sich vom Zielbild her zu einer gemeinsamen kompatiblen Implementierung in allen Ländern vorarbeitete. Damit erreichte es Global Life einerseits, das Ziel einer einheitlichen weltweiten Steuerung der Operations zu erreichen, andererseits, aber den lokalen Gegebenheiten gerecht zu werden und nur die notwendigen Anpassungen an das lokale IT-System vorzunehmen. Aus dem erfolgreichen Projekt stammt ein markanter Ausspruch des COO: Es wäre ähnlich schwierig wie bei einem Elefanten, einen Business-Architekten zu beschreiben, "aber wenn man einen sieht, dann erkennt man ihn". Dem Zitat stimmten die meisten Teilnehmer spontan zu.

Dass sich die Rolle der Business-Architekten wandelt, konstatierte auch William Ulrich, Präsident der Branchenvereinigung Business Architecture Guild. Er verglich das Verhältnis zwischen Architekt und Manager mit der des Bootsbauers und des Kapitäns der Titanic. Der Kapitän muss keine Schiffe bauen, aber er muss den Schiffsbauplan verstehen können, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der Schiffsbauer muss das Schiff nicht steuern, aber er muss die Pläne verständlich machen und die Konsequenzen von Entscheidungen aufzeigen können.

Das Bild von der Titanic mag etwas drastisch erscheinen, zumal es für die Business Architecture in der Regel darum geht, neue Geschäftsmodelle  zu etablieren beziehungsweise bestehende zu optimieren. Was mangelnde Abstimmung aber anrichten kann, wurde am Rande der Konferenz in einem Bericht von einem US-amerikanischen Bekleidungshaus deutlich, in dem eine Netzwerkinfrastruktur kostengünstiger und schneller ohne Einbindung der IT-Abteilung eingeführt wurde. Leider übersah man dabei einige Sicherheitsvorkehrungen, sodass Millionen von Kreditkarten-Informationen gestohlen werden konnten und die Bekleidungsfirma Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe zahlen musste, der um ein Vielfaches höher lag, als die Investitionen in sichere Infrastruktur gekostet hätte.

Die Veranstaltung in Berlin hat gezeigt, das Business-Architektur auf dem Weg ist, sich im Mainstream der Management- und IT-Disziplinen zu etablieren. Vorteil ist der schnellere und zielsicherere Wandel der Unternehmen und der IT. Wenn Business- und IT-Architekten Hand in Hand arbeiten und den konkreten Nutzen für das Unternehmen im Blick haben, profitieren alle am meisten.

Dr. Michael P. Wagner
ist als Managementberater und Publizist in Moosham bei München tätig.