Studie: Schutzfristen lassen Bücher verschwinden

Bei Amazon.com gibt es deutlich mehr Bücher aus dem 19. Jahrhundert als aus dem 20. zu kaufen. Grund ist das Urheberrecht in Verbindung mit den langen Schutzfristen, konstatiert ein US-Forscher in einer Studie.

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Das Urheberrecht in Verbindung mit jahrzehntelangen Schutzfristen sorgt dafür, dass Bücher aus dem Handel und damit der Öffentlichkeit verschwinden. Zu diesem Ergebnis kommt nun eine Studie, in der die Verfügbarkeit von Büchern, gestaffelt nach dem Veröffentlichungsjahr für die USA untersucht wird. Ihr zufolge ist die Zahl der verfügbaren Titel etwa aus den 1920er-Jahren deutlich niedriger als die der Titel aus dem Jahrzehnt davor. Grund dafür sei, dass Werke, die in den USA vor 1923 erstmals veröffentlicht wurden, gemeinfrei (Public Domain) sind. Dagegen endet für später veröffentlichte Werke die Schutzfrist erst nach 95 Jahren oder aber (seit 1976) 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.

Für die Studie seien mehr als 2300 Bücher aus dem Sortiment des Online-Händlers Amazon zufällig ausgewählt worden. Es habe sich dann gezeigt, dass darunter deutlich mehr aus den 1850er-Jahren waren als aus dem Jahrzehnt nach 1950. Lässt man die geschätzte Gesamtzahl an jeweils jährlich veröffentlichten Titeln einfließen, sind die Unterschiede noch größer. Das strafe die Behauptung Lügen, nur bei urheberrechtlich geschützten Werken würde es sich lohnen, sie zu verkaufen. Stattdessen sorge der Urheberrechtsschutz dafür, dass Bücher bereits nach wenigen Jahren aus dem Handel verschwinden.

Fiktionale Bücher in Amazons Angebot mit jeweils einbezogener Gesamtzahl an Veröffentlichungen

(Bild: Paul J. Heald)

Eine mögliche Lösung für die Problematik hat der Studienautor und Juraprofessor Paul J. Heald ebenfalls untersucht, am Umgang mit geschützter Musik auf Youtube. Werden urheberrechtlich geschützte Musiktitel von Nutzern, die daran nicht die Rechte haben, auf die Plattform gestellt, hat der Urheberrechtsinhaber zwei Möglichkeiten: Er kann bei Youtube die Löschung des Videos verlangen oder aber Werbung dazu schalten lassen und daran verdienen. Und auch wenn 95 Prozent der untersuchten älteren Musiktitel (aus den Jahren 1930 bis 1960) offenbar nicht von den Rechteinhabern stammen, so seien sie nicht gelöscht worden. Stattdessen seien die US-Songs mehrheitlich (73 Prozent) mit Werbung versehen, der Rest offenbar nicht beanstandet worden. Eine Seite, die vergleichbares für Bücher bietet, gebe es jedoch nicht.

Seine Studie bestätige, dass urheberrechtlich geschützte Werke verschwinden, obwohl ein Markt für sie vorhanden sei, fasst Heald seine Ergebnisse zusammen. Eine Verlängerung der Schutzfristen zögere den Moment heraus, in dem der Markt eingreifen kann und eine neue Produktion beginne. Weiteren Versuchen, den Urheberrechtsschutz auszuweiten, sollte deshalb widerstanden werden, denn der Schutz sei nicht eingeführt worden, um Werke verschwinden zu lassen. Außerdem sollte nicht gegen Plattformen wie Youtube vorgegangen werden, bieten sie doch eine, wenn auch nicht perfekte, Lösung für das Problem der verloren gehenden Werke. (mho)