Bundestag beschließt neue Entschädigung für TK-Vorratsdatenspeicherung

Das Parlament hat mit den Stimmen der großen Koalition den umstrittenen Gesetzesentwurf für Ausgleichszahlungen an Provider für Hilfsleistungen bei der Telekommunikationsüberwachung verabschiedet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 37 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Bundestag hat am gestrigen Donnerstagabend mit den Stimmen der großen Koalition den umstrittenen Gesetzesentwurf für Ausgleichszahlungen an Provider für Hilfsleistungen bei der Telekommunikationsüberwachung verabschiedet. Die Linksfraktion und die Grünen votierten gegen das Vorhaben; die FDP enthielt sich. Mit dem bereits vor über einem Jahr ins Parlament eingebrachten und Anfang Dezember vom Rechtsausschuss gebilligten Vorstoß soll unter anderem der Abruf von Verbindungs- und Standortdaten, die öffentliche Telekommunikationsanbieter gemäß den Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung sechs Monate lang verdachtsunabhängig aufbewahren müssen, pauschal entschädigt werden. Die für die Datenlagerung oder das Abhören von Telekommunikation zunächst erforderlichen Anschaffungskosten sollen entgegen der Empfehlung von Experten nicht vergütet werden.

Siegfried Kauder lobte das Vorhaben im Namen der CDU/CSU-Fraktion in den zu Protokoll gegebenen Reden als "gutes Signal für die Telekommunikationsunternehmen in Deutschland". Er sei aber der Auffassung, "dass wir im kommenden Jahr eine Investitionskostenregelung treffen sollten". Dabei sei auch der noch nicht rechtskräftige  Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin zur Kostenlast für Provider zu berücksichtigen. Zuerst müssten aber "nachprüfbare Zahlen" für den Aufwand zur Vorratsdatenspeicherung auf den Tisch. Die IT-Lobbyvereinigung Bitkom schätzt derzeit, dass Telefonanbieter bis zu 75 Millionen Euro für die technischen Grundlagen zur Vorratsdatenspeicherung ausgeben müssen. Geht es nach dem Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, haben zudem die Zugangsanbieter für die Anschaffung von Hard- und Software mindestens 322 Millionen Euro zu schultern. Dass diese recht weit auseinander liegenden Summen im Raum stehen, irritierte Kauder, obwohl beide Verbände unterschiedliche Sparten der TK-Branche zu ihren Mitgliedern zählen.

Laut Martin Dörmann von der SPD-Fraktion bringt der Entwurf eine "deutliche Erleichterung für die TK-Unternehmen". Die Wirtschaftspolitiker der Koalitionsfraktionen stünden grundsätzlich aber auch einer angemessenen Entschädigung für Anschaffungskosten "durchaus positiv gegenüber". Der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, stimmte dem Entwurf aber nur unter Vorbehalt zu. Er monierte, dass Anbieter, die vor allem Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und andere Netzbetreiber beliefern, angesichts ausbleibender Anfragen von Strafverfolgungsbehörden auf ihren hohen Investitionskosten für Überwachungstechnik sitzen bleiben. Prinzipiell hat der nicht mehr als Datenschutzkoordinator der Sozialdemokraten fungierende Abgeordnete nach eigenem Bekunden weiter "grundsätzliche verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bedenken" gegenüber der Vorratsdatenspeicherung.

Der Medienexperte der FDP, Hans-Joachim Otto, bekräftigte ebenfalls die Ablehnung seiner Partei von Überwachungsauflagen wie der Protokollierung der Nutzerspuren und warb für den Antrag der Liberalen, das Bußgeld-Moratorium bei der verlangten Protokollierung der Nutzerspuren um ein weiteres Jahr bis Anfang 2010 zu verlängern. Die große Koalition lehnte dieses Ansinnen jedoch ab, da die Übergangsfrist lang genug gewesen sei.

Für die Linken verlangte deren innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke, dass "in jedem Einzelfall die tatsächlich anfallenden Kosten vergütet werden" müssten. Wenn der unbescholtene Bürger schon für seine eigene Überwachung bezahlen solle, schulde Schwarz-Rot ihm zumindest buchhalterische Sorgfalt. Derzeit seien die Pauschalen teils viel zu hoch, teils überhaupt nicht nachvollziehbar. Besser wäre es aber, wenn die Koalition ihre groß angelegten Überwachungsprojekte ganz zurückzöge. Der Rechtsexperte der Grünen, Jerzy Montag, lehnte den Entwurf wegen handwerklicher Fehler, aber auch aus grundsätzlichen Gründen ab.

Branchenverbände übten weiter Kritik an dem Beschluss. "Die Regelung geht in die richtige Richtung, deckt aber längst nicht alle Ausgaben der Unternehmen für die öffentliche Sicherheit ab", monierte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer. Er forderte ein separates Gesetz zur Entschädigung der Anschaffungskosten für Überwachungstechnik zur Vorratsdatenspeicherung. Der eco hatte die Einigung schon im Vorfeld als "mehr als unbefriedigend" bezeichnet. Der Großteil der Providerlandschaft hierzulande, bei dem es sich um mittelständische Unternehmen handle, erhalte selten oder nie Anfragen von Strafverfolgern und käme so auch kaum in den Genuss einer Erstattung der Hilfssheriffsdienste. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) appellierte an die Länder, die "längst überfällige Entscheidung" nicht im Bundesrat zu blockieren. (Stefan Krempl) / (jk)