Wikileaks-Dokumentarfilm läuft in Deutschland an

Am heutigen Donnerstag läuft in den deutschen Kinos der Dokumentarfilm "We Steal Secrets: Die WikiLeaks Geschichte" an. der beschäftigt sich mit Wikileaks-Gründer Julian Assange und dem Whistleblower Bradley Manning.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Während die Verteidigung im Prozess des US-Soldaten Bradley Manning den renommierten Harvard-Professor Yochai Benkler aufbietet, der zum Unwillen der Anklage über Wikileaks als journalistisches Angebot spricht, läuft in Deutschland ein Dokumentarfilm über diese Spielart des Journalismus an. Alex Gibneys We steal Secrets: The Story of Wikileaks beleuchtet die Arbeit von Wikileaks.

Das Filmplakat

(Bild: "We steal Secrets: The Story of Wikileaks")

Zentraler Punkt der Beweisführung von Mannings Verteidigern ist die Annahme, dass Manning mit der Übergabe des von ihm ausgesuchten Materials an Wikileaks nicht dem Feind geholfen hat, sondern eine Debatte über die Interventionen der USA in aller Öffentlichkeit anfachen wollte. Zu diesem Punkt sagte am gestrigen Mittwoch der Jurist Yochai Benkler aus. Er war einer der ersten, der die Existenz von Wikileaks als vernetzte "vierte Macht" im Staate beschrieb. Die Ausführungen von Benkler zum journalistischen Charakter von Wikileaks wurden sowohl von der Anklage wie von der vorsitzenden Militärrichterin Denise Lind bezweifelt. Debattiert wurde, ob Manning sich sicher sein konnte, dass sein Material per Wikileaks die Öffentlichkeit erreicht und nicht etwa Feinden wie Al Quaida in die Hände fällt.

Wie Wikileaks funktioniert, will der Dokumentarfilm von Alex Gibney zeigen, der nun in deutschen Kinos anläuft. "We steal Secrets" ist dabei keine Aussage von Wikileaks-Aktivisten, sondern ein Statement des ehemaligen NSA-Direktors Michael Hayden, das hervorragend in die aktuelle Debatte über die Abhörpraxis der USA passt. Er sagt im Film: "Ich will also ganz offen sein: Wir stehlen Geheimnisse. Wir stehlen die Geheimnisse anderer Nationen. Legal lässt sich das nicht bewerkstelligen, wenn man über lange Zeit Erfolg haben will."

Gibneys Dokumentarfilm beginnt recht konventionell mit der Geschichte des jungen Assange und den ersten Erfolge von Wikileaks. Aufnahmen von den ersten öffentlichen Auftritten illustrieren gut die anarchischen Spontanität. Dann geht es nach Island, wo eine Gruppe Videomaterial aufbereitet, das Wikileaks von Unbekannten zugeschickt wurde. Am Ende steht das Video "Collateral Murder", mit dem Wikileaks mit einem Schlag weltbekannt wurde. Ganz zögerlich im größten Jubel erscheinen Worte auf der Leinwand: "Hallo, wie geht es dir? Ich bin ein Nachrichten-Auswerter in der Armee, in Ost-Bagdad eingesetzt...." Bradley Manning meldet sich im Chat zu Wort. Während Wikileaks auf dem Höhepunkt des Ruhmes anlangt, tippt sich Manning im Chat mit Adrian Lamo um Kopf und Kragen.

Im Film beteuert der Guardian-Journalist Nick Davies, von Assange gehört zu haben, afghanische Informanten der ISAF-Truppe verdienten den Tod. Dieser Satz wird von Assange bis heute heftig bestritten. Als Schrift-Einblendung erscheint bei Gibney eine einfache Rechnung auf der Leinwand: "Afghan Civilan + Coalition Informant = deserves to die". Das positive Bild von Assange kippt, mehr und mehr erscheint er als Egomane, dem der Informantenschutz bei der Veröffentlichung von brisanten Dokumenten völlig egal ist.

Demgegenüber gewinnt Bradley Manning an Kontur. Der Soldat, der zu Beginn des Chats mit Adrian Lamo wegen Insubordination und "Gender Identity Adjustment Misorder" zur Arbeit in der Poststelle verdonnert ist, erzählt von seiner Hoffnung, dass ein aufgeklärtes Amerika sich mit den wahren Kosten seiner Kriege beschäftigt. Dabei spricht Manning im Film kein einziges Wort. Auf der Leinwand erscheint nur seine getippte "Beichte" gegenüber dem vermeintlichen Geistlichen Adrian Lamo.

Vor Gibneys Kamera treten weder Manning noch Assange auf, nur die anderen, nicht zuletzt eine im halbdunkel bleibende Schwedin, die Assange wegen sexueller Nötigung angezeigt hatte. Nach ihrem Interview folgt eine Szene, die einem dieser 3D-Grafik-Pornos entstammen könnte, die im Internet zu finden sind. Gibney übernimmt diesen Versuch, die juristisch noch ungeklärten Ereignisse einer schwedischen Sommernacht für den Zuschauer zu rekonstruieren.

Zum Schluss des Filmes wird eine Passage eingeblendet, in der Manning mit einem Wikileaks-Mitglied unter dem Pseudonym "pressassociation@jabber.ccc.de" verabredet, wie sein Material sicher übergeben werden kann. Während die Buchstaben über die Leinwand rollen, wendet Gibney einen Trick an und ersetzt den Namen der anonymen Pressassociation durch Julian Assange. Der Zuschauer bekommt so den Eindruck, hier konferierten Manning und Assange direkt. Diese Form von "Aiding the Enemy" hat Manning in seinem herausragenden Plädoyer am 28. Februar 2013 heftig bestritten: er habe zu keinem Zeitpunkt gewusst, mit wem er es bei Wikileaks zu tun hatte.

Alex Gibneys dokumentarisch angelegter Film stiehlt auf seine Weise Geheimnisse und er macht dies mit Mitteln der Filmmontage, die an Dsiga Wertow erinnern. Dass hinter pressassociation@jabber.ccc.de Assange gestanden hat, lässt sich nicht mehr beweisen, das Nutzerkonto ist längst gelöscht. Was Nick Davies über Assange berichtet, dafür gibt es keine Zeugen. Die Rekonstruktion der Ereignisse in Schweden gehört vor Gericht, nicht in eine 3D-Visualisierung. (mho)