Europäische Telcos gegen Netzneutralität

Die Brancheninitiative NetConfidence hat sich einem Bericht nach für Änderungen an der geplanten Novelle des EU-Telecom-Pakets ausgesprochen, der zufolge Anbieter "vernünftige Nutzungseinschränkungen und Preisunterschiede" einführen dürften.

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In der Auseinandersetzung um die geplante Novelle des EU-Telecom-Pakets sehen sich das EU-Parlament, der Ministerrat und die Kommission bei ihren abschließenden Verhandlungen mit einem neuen Lobbyvorschlag konfrontiert. So hat sich die vorher noch nicht in Erscheinung getretene Branchenkoalition NetConfidence dafür ausgesprochen, dass Anbieter "vernünftige Nutzungseinschränkungen und Preisunterschiede" einführen dürfen sollen. Zudem ruft die Initiative nach netzseitigen Filtermöglichkeiten, um "einer ungerechtfertigten Service-Einbuße bei Diensten entgegenwirken zu können". Dies schreibt die britische Rechtsexpertin Monica Horten in ihrem Blog, in dem sie das Reformvorhaben seit Längerem beobachtet. Das Konzept der Netzneutralität würde damit unterlaufen.

Der um Vertrauen bemühten Vereinigung gehören demnach die europäische Telco-Lobby ETNO (European Telecommunications Network Operators' Association) genauso an wie die großen US-Netzanbieter Verizon und AT&T, der Mobilfunkbetreiber Vodafone und zahlreiche Ausrüster wie Cisco, Alcatel-Lucent, Ericsson, Nokia oder Siemens. Sie plädieren generell für mehr Möglichkeiten zum "Netzwerkmanagement". Damit lassen sich aber nicht nur Spam oder Cyberangriffe abwehren und der Internetverkehr in geordnete Bahnen leiten. Vielmehr hätten die Netzbetreiber und Zulieferer damit auch eine einfache Handhabe, gewisse Protokolle, Dienste oder Anwendungen ohne Kontrolle der Regulierungsbehörden zu verlangsamen oder ganz zu blockieren. An dieser Stelle könnten sich etwa die Rechteinhaber einschalten und im Rahmen der vom EU-Rat geforderten verstärkten "Kooperation" mit Providern Filteransprüche geltend machen.

Bisher besteht das umkämpfte Reformvorhaben auf die Einhaltung des Prinzips offener Netze. Sichergestellt werden soll die Übermittlung von Daten im Internet, unabhängig davon, woher sie stammen oder welche Anwendungen die Datenpakete erzeugt haben. Die nationalen Regulierungsbehörden und das vom Rat vorgesehene Gremium der Europäischen Regulierungsbehörden für Telekommunikation (BERT) sollen Leitlinien mit Mindestanforderungen an die Dienstqualität veröffentlichen und gegebenenfalls Maßnahmen treffen können, um eine Verschlechterung der Dienste und eine Verlangsamung des Datenverkehrs zu verhindern. Die Einrichtungen hätten mit dem Vorhaben dafür zu sorgen, "dass der Zugang der Nutzer zu bestimmten Arten von Inhalten oder Anwendungen nicht in unzumutbarer Weise beschränkt wird". (Stefan Krempl) / (vbr)