Stirbt mit der Digitalisierung das Open-Air-Kino?

Ob Passanten in der Stuttgarter Fußgängerzone oder Rauchschwaden von Grills im Berliner Volkspark Friedrichshain: Open-Air-Kinos haben eine ganz eigene Atmosphäre. Doch die Digitalisierung macht vielen Betreibern zu schaffen.

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Von
  • Marco Krefting
  • dpa

Wenn in ein paar Tagen "Ziemlich beste Freunde", "Der große Gatsby" und "Django Unchained" beim Ludwigsburger Open-Air-Kino auf der Leinwand flimmern, hat das gut 100.000 Euro gekostet. Zumindest den Veranstalter, der von 35-Millimeter-Film auf digitales Kino umstellt. Dafür muss die Technik runderneuert werden, wie Ausstatter Joachim Borkowski sagt. "Alleine eine klimatisierte Kabine, die wir extra anfertigen, kostet etwa 20.000 Euro." Das Equipment draußen mitten im Hochsommer auf unter 30 Grad zu kühlen war bei der alten Technik nicht nötig.

Kino unter freiem Himmel

(Bild: openairkino-ludwigsburg.de)

Doch das beliebte Open-Air-Kino in Ludwigsburg bei Stuttgart mit Platz für rund 3000 Besucher je Vorführung macht kein Lifting, um modern zu wirken. "Viele Filme gibt es schon oder bald nicht mehr auf 35 Millimeter", sagt Jens Hülsen vom Open-Air-Kino-Vermarkter Cinevent in Heidelberg. "Die Anbieter werden gezwungen, die neue Technik zu kaufen." Die Umstellung in den festen Kinohäusern läuft schon seit einigen Jahren. Nun wachse aber auch der Druck auf die Freiluftkinos, die meist über weniger Geld verfügten. "Die Blockbuster wie 'Man of Steel' oder 'World War Z' können sie knicken", sagt Hülsen. "Die Verleiher sitzen da auf dem hohen Ross."

Dort, etwa beim Verband der Filmverleiher (VdF) in Berlin, sieht man das Problem zwar – aber bei weitem nicht so dramatisch. "35 Millimeter wird es von großen Filmen nicht mehr geben", räumt VdF-Geschäftsführer Johannes Klingsporn ein. Zumal die Umrüstung in den Kinos deutlich schneller als erwartet klappe und vermutlich schon Anfang nächsten Jahres vollzogen sei. "Aber es kommen auch jetzt schon gebrauchte Projektoren auf den Markt", wiegelt er ab.

Allerdings sind auch Zehntausende Euro für Veranstalter nicht immer leicht zu berappen. "Vor allem haben Open-Air-Kinos nur ganz kleine Verwertungsfenster", sagt Ausrüster Borkowski und meint den kurzen Zeitraum im Sommer, in dem Geld eingenommen werden kann. Oft sind es nur ein paar Tage oder Wochen, deutlich weniger als eine Freibad-Saison. Umso abhängiger sind die Macher vom Wetter. "Und natürlich sind Open-Air-Leinwände auch nicht die ersten, die auf digitale Technik umgestellt werden", sagt der Geschäftsführer der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater, Felix Bruder.

Zumal die Open-Air-Sparte in der Kinobranche eine geringe Rolle spielt. Nach den jüngsten Zahlen der Filmförderungsanstalt (FFA) gab es 2011 in Deutschland 510 Open-Air-Kinos und Freilichtbühnen. Das waren knapp 11,0 Prozent aller Kinosäle - also herkömmlicher Vorführräume und sogenannter Kino-Sonderformen. Für Open-Air-Kinos und Freilichtbühnen verzeichnete die FFA einen Umsatz von etwas mehr als sechs Millionen Euro (0,6 Prozent) bei fast 940.000 Besuchern (0,7 Prozent). Obwohl die Anzahl der Open-Air-Kinos und Bühnen im Vergleich zum Jahr 2010 um zehn gesunken war, zeigte der Trend bei Umsatz und Besucherzahlen ein Jahr später leicht nach oben.

Gerade das Public-Viewing zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 habe Outdoor-Veranstaltungen attraktiver gemacht, meint Klingsporn vom Verleiherverband. So werden etwa beim Trickfilmfestival in Stuttgart große Teile des Programms unter freiem Himmel gespielt. Und selbst ARD-Anstalten zeigen schon mal "Tatort"-Folgen vorab open air.

Ein Geldregen ist damit jedoch nicht verbunden. Mit wenigen Ausnahmen seien die Veranstalter aber darauf angewiesen, auch aktuelle Filme im Programm zu haben, sagt Bruder. "Wir setzen uns daher dafür ein, dass relevante Filme auch weiterhin in 35-Millimeter-Fassungen da sind." Selbst wenn es auf diese Weise eine Galgenfrist geben sollte, sieht Ausstatter Borkowski schwarz: Nach seiner Einschätzung werden die analogen Kopien dann nicht ausreichen, weil viele Open-Air-Kinos gleichzeitig Saison haben. Gerade für kleine Kinos werde die Umstellung auf digitales Kino daher schwierig. "Die werden wohl nur noch dieses Jahr machen." (mho)