PRISM-Abhörskandal: Friedrich wiegelt ab, Opposition macht Druck

Innenminister Friedrich äußerte erneut Zweifel an der flächendeckenden Überwachung durch die NSA. SPD, Linke und Grüne fordern Klarheit über das Ausmaß des NSA-Überwachungsprogramms. Andernfalls soll die Kanzlerin selbst Auskunft geben.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Opposition macht in der NSA-PRISM-Affäre Druck auf die Bundesregierung und fordert dringend Antworten von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Das für Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium kam am Dienstag in Berlin zu einer Sondersitzung zusammen. Friedrich sollte laut dpa die Abgeordneten dort über seine neuen Erkenntnisse zur Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA informieren. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele drohte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in das Gremium zu bestellen, sofern Friedrichs Aussage keine Klarheit bringe.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bezweifelte erneut das Ausmaß der NSA-Überwachung.

(Bild: Bundesinnenministerium )

Die NSA überwacht nach den vom ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden geleakten Dokumenten im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Deutschland. Dazu setzt die NSA mit ihren Überwachungsprogramm PRISM unter anderem auf direktes Anzapfen der Backbones, zur Überwachung von Politikern aber auch auf klassische geheimdienstliche Abhörtechniken, etwa in ausländischen Vertretungen in den USA. Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen darüber sind allerdings viele Fragen noch immer offen – der Bundesinnenminister war Ende der vergangenen Woche in die USA gereist, um dort mit Regierungsvertretern direkt über die Vorwürfe zu reden. Die US-Seite sicherte Friedrich nach seinen Angaben zu, Deutschland künftig besser über die Erkenntnisse ihrer Geheimdienste Auskunft zu geben und die Geheimhaltung bestimmter Dokumente aufzuheben. Mit dem von ihm stolz präsentierten Ergebnissen war Friedrich bei der Opposition und Bürgerrechtlern auf scharfe Kritik gestoßen, teilweise erntete er Hohn und Spott. Zudem verteidigte Friedrich die Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich.

Friedrich kündigte nun an, den Parlamentariern neue Fakten zu PRISM vorzulegen. Im ARD-Morgenmagazin betonte der Innenminister erneut, er habe in den USA einige Informationen bekommen. Diese werde er den Abgeordneten mitteilen. Allerdings äußerte er auch massive Zweifel an den Informationen, die sich aus den von Snowden vorgelegten Dokumenten ergeben: "Ob wirklich diese Datenmengen, die da behauptet werden, aus irgendwelchen Folien, die Snowden veröffentlicht hat, tatsächlich gespeichert werden, das muss sich erst noch zeigen."

Thomas Oppermann, SPD-Fraktionsgeschäftsführer und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, wirft dem Innenminister vor, er habe sich in den USA zur PRISM-Affäre abspeisen lassen.

(Bild: Thomas Oppermann / Fotograf: Gerrit Sievert)

Der Vorsitzende des Parlamentarische Kontrollgremiums, SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, beklagte laut dpa, Friedrich sei "mit mit leeren Händen" aus den USA zurückgekehrt und habe sich "mit kleinen Zusagen abspeisen lassen. "Wir haben noch immer keine Klarheit über die millionenfache Ausspähung", kritisierte er. Die Bundesregierung müsse endlich offenlegen, was sie über die NSA-Praxis wisse und gegen die Überwachung unternehme. Ströbele kündigte an, einen Antrag zu stellen, dass auch Merkel in das Gremium kommen müsse, wenn Friedrichs Aussage nicht für Klarheit sorge. Falls der Innenminister nicht offenlege, welche Anschläge durch die Informationen der NSA in Deutschland angeblich verhindert worden seien, werde er außerdem selbst Akteneinsicht beantragen, fügte der Grünen-Politiker hinzu. Der Linke-Abgeordnete Steffen Bockhahn verlangte, Friedrich müsse deutlich mehr sagen als bislang. Es müsse endlich Klarheit her: "Wer hat wann was in welchem Umfang getan?"

Vertreter von Union und FDP werteten Friedrichs USA-Besuch dagegen als ersten Schritt der Aufklärung. Es müssten aber weitere folgen, mahnten Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) und die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz an. Grosse-Brömer rief zu einer sachlichen Debatte auf. "Die etwas schrillen Töne der Opposition erklären sich durch den anstehenden Wahlkampf."

Nach dem Parlamentarischen Kontrollgremium will Friedrich am Mittwoch auch im Innenausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen. Aus den Reihen der Opposition war am Montag die Forderung gekommen, die Spähaffäre in einem Untersuchungsausschuss aufzuklären. Oppermann mahnte jedoch, in der laufenden Wahlperiode sei das "praktisch unmöglich". Eine Entscheidung darüber wäre erst nach der Bundestagswahl im Herbst möglich. "Wir wollen aber nicht warten bis zur Bundestagswahl", betonte er. Aufklärung sei sofort nötig.

[Update 16.07.2013 14:59]:

Die Piratenpartei wirft Friedrich nach seiner USA-Reise und seinen aktuellen Äußerungen zu PRISM bewusste Täuschung der Bürger vor. Bruno Kramm, bayerische Bundestagskandidat der Piraten, forderte den sofortigen Rücktritt des Innenministers: "Seit Jahren rechtfertigt Minister Friedrich immer neue Systeme für die Bürgerüberwachung mit der angeblich exorbitant hohen Terrorgefahr in Deutschland. Jetzt kommt heraus, dass es in Deutschland ganze fünf Terrorfälle gab, und drei davon waren de facto keine. Wichtige Fälle wie die NSU-Terrorzelle blieben trotz umfassender Überwachung ganz und gar unentdeckt." Seit dem Bekanntwerden der NSA-Überwachung PRISM "glänzt Friedrich mit Notlügen, offen zur Schau getragener Unwissenheit und fachlicher Inkompetenz", meint Kramm. "Seine nur in Ansätzen vorhandene Medienkompetenz und die Abwesenheit jedes Verständnisses technischer Zusammenhänge im Internetzeitalter machen ihn zu einer tickenden Zeitbombe für die Freiheitsrechte der deutschen Bürger, das Grundgesetz und die Pressefreiheit."

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(jk)