Vom Basteln zum Business

„Mach es selbst“ ist längst weit mehr als ein Freizeitvergnügen für Hobbybastler. Als äußerst erfolgreiches Geschäftsmodell beschert es Open-Source-Firmen Millionenumsätze.

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Von
  • Christoph Seidler

„Mach es selbst“ ist längst weit mehr als ein Freizeitvergnügen für Hobbybastler. Als äußerst erfolgreiches Geschäftsmodell beschert es Open-Source-Firmen Millionenumsätze.

Das Surren kommt näher und näher, doch die Herde lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Entspannt grasen die Kühe weiter. Dabei klingt es, als sei ein Schwarm von Insekten im Anflug. Doch statt Bienen oder Mücken nähert sich ein kleines Fluggerät hoch über der Weide – eine Mini-Drohne, die mit einer Kamera neugierig nach unten blickt. Menschen mögen das Geräusch und den Blick in ihre Privatsphäre unangenehm finden, doch den Tieren macht es nichts. Und der Bauer weiß jederzeit, wie es seinen Rindern geht.

Zur Überwachung von Farmen, zum Filmen von Sportpartien aus der Luft oder im Dienst der Aufklärung wie im Juni, als Aktivisten die Übergriffe türkischer Sicherheitskräfte auf friedliche Demonstranten mit Drohnen dokumentierten – so ähnlich stellt sich Chris Anderson den Einsatz seiner Produkte vor. Sein Unternehmen 3D Robotics verkauft ferngesteuerte Fluggeräte wie den „ArduCopter“ schon ab rund 600 Dollar. Aktuell macht die Firma bereits um die vier Millionen Dollar Umsatz pro Jahr – der Markt für Drohnen für nichtmilitärische Zwecke boomt.

Das Basisgeschäft des erfolgreichen Unternehmens sind allerdings keine fix und fertigen Geräte, sondern deren Baukasten samt Ma-nual. Mit elektronischen Modulen wie dem „ArduPilot Mega“ können Bastler auch bereits existierende Fluggeräte, zum Beispiel ferngesteuerte Modellflieger, mit einer Autopiloten-Funktion ausrüsten. Anderson und sein Team treffen damit genau den Nerv der Zeit: die Freude am Selbermachen. Das gesamte Unternehmen entstand ursprünglich aus einer Gemeinschaft von Hobbybastlern im Netz. Dort hatte sich Anderson umgetan, als er mit seinen Kindern ein Lego-Flugzeug abheben lassen wollte. Während der Nachwuchs schnell das Interesse verlor, war der Journalist angefixt und baute die Online-Community „DIY Drones“ auf. Darüber lernte er seinen Co-Chef Jordi Muñoz kennen, und die beiden wurden zu Firmengründern. Bis heute basieren ihre Produkte teilweise auf von der Community mitentwickelten Konzepten. Und die Freude am Basteln geht ungebrochen weiter: Die Webseite von DIY Drones verzeichnet 1,4 Millionen Seitenaufrufe pro Monat, im Jahr posten die Bastler 80000 Kommentare.

Durch seine Transformation vom Bastler zum Businessman ist Anderson ein Vorzeigemitglied einer gesellschaftlichen Bewegung geworden, die er selbst mit angestoßen hat. Mit „Makers – Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution“ (Hanser-Verlag, 2013, 22,90 Euro) hat der frühere Chefredakteur des Technologiemagazins „Wired“ eine Art Manifest geschrieben. Seine These: Nach den Software-Start-ups der Jahrtausendwende baut sich gerade eine weitere Welle von Unternehmensgründungen auf. Aber diese Firmen machen ihr Geld nicht mit Soft-, sondern mit Hardware. Vor allem aber basieren sie auf dem neuen Trend des Do it yourself, kurz DIY (siehe TR 2/2013, S. 26). „Die Maker-Bewegung ist eine kulturelle Entwicklung, die sich auf der gesamten Welt verbreitet“, sagt Dale Dougherty. Er ist Mitbegründer des Branchentreffens Maker Faire, das mittlerweile in 78 Ländern stattfindet, darunter am 3. August 2013 in Hannover und damit erstmals in Deutschland.

Natürlich haben Enthusiasten auch früher gebastelt, gehäkelt und gepinselt – aber im Verborgenen. Doch nun ist das Werkeln zum gesellschaftlichen Großtrend geworden. In einer globalisierten Welt von austauschbaren, seelenlosen Konsumgütern bietet das Selbermachen seinen Anhängern die Chance auf einzigartige Produkte mit einer persönlichen Geschichte. Dem einen dienen solche Unikate als Mittel zur Selbstdarstellung, dem anderen eher als Demonstration gegen die Wegwerfgesellschaft. In jedem Fall gilt: Wer etwas mit seinen eigenen Händen schafft, geht bewusster damit um und ist stolz darauf. Und so liefern auch Baumärkte ihren Kunden längst komplette Anleitungen zum Werkeln, manche Ketten wie der Baumarkt „Bauhaus“ laden gar zur „Open Night“ für Frauen ein: „Abendprogramm mit Bohrmaschine“. (vsz)