EU-Datenschützer: Geplante elektronische Grenzkontrolle ist unverhältnismäßig

Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hat den Vorschlag der Kommission ein Ein- und Ausreisesystem nach US-Vorbild scharf kritisiert. Dessen Nutzen sei nicht erwiesen, die Eingriffe in die Privatsphäre zu groß.

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Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hat den Vorschlag der EU-Kommission für ein Ein- und Ausreisesystem nach US-Vorbild scharf kritisiert. Der Nutzen des "Smart-Borders"-Programms sei nicht erwiesen, schreibt der Experte in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme. Die Kosten für den Aufbau der Datenbank und die Eingriffe in die Privatsphäre seien dagegen zu groß.

Das Anliegen der Kommission, das Management der Grenzkontrollen zu verbessern, ist laut Hustinx zwar legitim. Noch gebe es aber gar keine klare politische Linie im Umgang mit Visa-Inhabern, die darin eingetragene Fristen bewusst überziehen. Ein weiteres umfassendes IT-System, in dem eine enorme Menge personenbezogener Daten gespeichert werden solle, sei daher unverhältnismäßig. Auslaufdaten von Aufenthaltsgenehmigungen würden nämlich bereits in dem seit 2011 laufenden Visa-Informationssystem aufbewahrt, dessen Wirkungskraft noch nicht evaluiert worden sei.

Die EU-Initiative sieht vor, dass sich Ausländer aus Drittstaaten mit allen zehn Fingerabdrücken bei der Einreise in die EU von der Grenzkontrolle registrieren lassen müssen. Dabei sollen Zeitpunkt und Ort von Ein- und Ausreise erfasst werden. Das System soll die zulässige Dauer eines Kurzaufenthalts automatisch berechnen und einen Warnhinweis an nationale Sicherheitsbehörden senden, wenn der Betroffene bis zum Ablauf der Aufenthaltsdauer nicht ausgereist ist.

Hustinx bezweifelt, dass in einer demokratischen Gesellschaft nötig ist, große Mengen an biometrischen Daten zu sammeln. Zwei oder vier Fingerabdrücke würden allemal ausreichen, die Identität zu bestätigen. Der Verordnungsentwurf nehme gleichsam vorweg, dass Strafverfolgungsbehörden auf die Datenbank zugreifen, obwohl darüber noch nicht entschieden und nicht aufgezeigt worden sei, ob es notwendig sei. Dahinter verberge sich ein gefährlicher Trend zur verdachtsunabhängigen Überwachung, meint Hustinx.

Auch vor den vorgesehenen Automatismen in dem System warnt Hustinx. Damit werde etwa nicht angemessen berücksichtigt, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen nicht ausreisen könne oder aufgrund technischer Probleme nicht registriert worden sei, dass sie das EU-Gebiet verlassen hat. Betroffene müssten zumindest rechtzeitig vollständig über gegen sie gerichtete Entscheidungen informiert werden, damit sie ihre Rechte ausüben könnten. Dies sei umso dringlicher, als immer mehr Datenbanken wie etwa auch das Schengen-Informationssystem oder Eurodac für Asylbewerber bei Grenzkontrollen mit herangezogen würden. Nachbesserungsbedarf gebe es zudem bei den Regeln zum Transfer personenbezogener Informationen in Drittstaaten.

Zu dem Entwurf der Kommission zählt auch ein Vorzugsprogramm, über das mit biometrischen Daten registrierte Teilnehmer in gesonderten Schleusen schneller abgefertigt werden sollen. Hustinx merkt dazu an, dass diese Methode nicht die einzige sein dürfe, um lange Schlangen und bürokratische Bürden zu umgehen. Sonst sei die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Initiative nicht gewährleistet. Die große Anzahl der Reisenden, die keine Vielflieger seien oder denen aus anderen Gründen das Programm nicht offen stehe, dürfe nicht als Gruppe mit höherem Risiko eingestuft werden. Zuvor hatte bereits die "Artikel-29"-Gruppe der europäischen Datenschutzbeauftragten die Pläne aus Brüssel prinzipiell hinterfragt. (anw)