Vorratsdatenspeicherung in Bulgarien vorerst gestoppt

Das oberste bulgarische Verwaltungsgericht hat die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig zurückgewiesen.

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Von
  • Florian Rötzer

Vom Rest der Europäischen Union noch weitgehend unbemerkt, hat das oberste bulgarische Verwaltungsgericht am 11. Dezember ein möglicherweise weitreichendes Urteil erlassen. Dem Gericht zufolge ist die laut EU-Richtlinie (2006/24/EC) auch in Bulgarien Anfang 2008 umgesetzte Vorratsdatenspeicherung nach der vom Innenministerium erlassenen Verordnung Nr. 40 verfassungswidrig, weil damit die Sicherheitsbehörden nahezu unbegrenzten Zugriff auf persönliche Daten erlangen. Die Regierung wird aufgefordert, verständliche und klar formulierte Begründungen für den Zugriff auf persönliche Daten und Regeln ihrer Speicherung zu liefern. Mit dem Urteil widerriefen die Richter die Entscheidung eines untergeordneten Gerichts.

Die Bürgerrechtsorganisation Access to Information Programme (API) hatte im März eine Klage gegen das Gesetz mit der Begründung eingereicht, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen die bulgarische Verfassung, die Europäische Menschenrechtskonvention und EU-Gesetze verstoße. Die Verordnung hat den Sicherheitsbehörden in Artikel 5 praktisch unbegrenzten Zugriff auf alle bei den Providern gespeicherte Daten ohne richterliche Genehmigung erlaubt. Das Gericht rügte, dass keine klaren Begrenzungen des Zugriffs und keine Garantien für den Schutz der Privatsphäre sowie "Ehre, Würde und Ansehen" einer Person nach Artikel 32 der bulgarischen Verfassung vorgesehen seien

Weiter werde Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt, nach dem jede Person "das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz" hat. Ausnahmen dürfe es nur geben, "wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer". Dies sei im beanstandeten Artikel 5 der Verordnung nicht deutlich geregelt und begründet worden.

Alexander Kashumov, Rechtsvertreter der AIP in dem Gerichtsverfahren, sieht in dem Richterspruch einen Erfolg, dessen Bedeutung über Bulgarien hinausgeht: "Die Entscheidung schützt nicht nur die Privatsphäre der Bulgaren und vor allem auch die Arbeit investigativ recherchierender Journalisten, die am meisten von Überwachung und Abhörung bedroht sind. Sie kann auch für Bürger im übrigen Europa von Nutzen sein", erklärte Kashumov gegenüber Telepolis.

Siehe dazu auch den Artikel "Überwachung und Ausspähung von Journalisten durch den Geheimdienst" bei Telepolis. (fr)