PRISM-Überwachungsskandal: Verfassungsschutz und BND unter Druck

Die US-Ausspähaffäre ist endgültig in Deutschland angekommen. Die deutschen Geheimdienste arbeiteten eng mit dem US-Geheimdienst NSA zusammen. Die Opposition fordert Konsequenzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 403 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Angesichts neuer Erkenntnisse über eine enge Zusammenarbeit der deutschen Geheimdienste mit dem US-Nachrichtendienst NSA werden Forderungen nach Konsequenzen laut. Linken-Politiker legten den Präsidenten von BND und Verfassungsschutz den Rücktritt nahe, falls sie die neuesten Berichte über eine Kooperation nicht aufklären könnten. Unions-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl nahm dagegen BND-Präsident Gerhard Schindler in Schutz.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz räumte am Wochenende ein, dass es selbst ein Spähprogramm des US-Nachrichtendienstes NSA testet, es aber derzeit nicht für seine Arbeit einsetzt. "Sollte die Software im BfV zum Einsatz kommen, würde das BfV damit keinesfalls mehr Daten als bisher erheben", betonte die Behörde in einer Stellungnahme. Zudem halte sich der Verfassungsschutz bei seiner Zusammenarbeit mit der NSA "strikt an seine gesetzlichen Befugnisse".

Der Spiegel berichtet in seiner jüngsten Ausgabe unter Berufung auf NSA-Dokumente vom Januar, der Bundesnachrichtendienst (BND) habe sich für eine laxere Auslegung deutscher Datenschutzgesetze eingesetzt, um den Austausch zu erleichtern. SPD-Chef Sigmar Gabriel brachte eine Ablösung von BND-Präsident Gerhard Schindler ins Gespräch. Präsident des Verfassungsschutzes ist Hans-Georg Maaßen.

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Stefffen Bockhahn beklagte, dass das Parlamentarische Kontrollgremium über eine Kooperation der deutschen Geheimdienste mit der NSA nicht informiert worden sei. "Das geht so nicht", sagte das Mitglied in dem Gremium der Mitteldeutschen Zeitung. "Wenn das alles so stimmt, dann müssen sich sowohl Herr Schindler als auch Herr Maaßen sowie Herr Pofalla fragen lassen, wie ernst sie die parlamentarische Kontrolle nehmen und ob sie auf ihren Posten bleiben können."

Der Linken-Politiker Klaus Ernst riet dem Parlament, wegen der Verwendung von NSA-Spähsoftware über eine Entlassung der Geheimdienstchefs nachzudenken. "Test oder Regelbetrieb, das ist unerheblich. Es bleibt Verfassungsbruch im Amt", sagte Ernst der Passauer Neuen Presse. Er halte einen Entlassungsantrag des Parlaments im September für denkbar.

Der CSU-Politiker Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, wies Rücktrittsforderungen an Schindler zurück. Dieser sei erst vor kurzem ins Amt gekommen und könne keine Verantwortung für Vorgänge unter dem früheren BND-Chef Ernst Uhrlau übernehmen, sagte Uhl der Mitteldeutschen Zeitung. Unter Uhrlau habe die enge Kooperation mit den US-Geheimdiensten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begonnen. Daher wolle er beantragen, dass das Parlamentarische Kontrollgremium am 19. August Uhrlau und damaligen Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Frank-Walter Steinmeier (SPD), befrage.

Die Grünen forderten weitere Aufklärung. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der Süddeutschen Zeitung, er frage sich, "wie lange die Kanzlerin noch bei ihrem Motto bleibt: Mein Name ist Merkel, ich weiß von nichts."

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann (SPD), warf der Kanzlerin vor, den BND nicht im Griff zu haben. "Der Vorgang offenbart, dass Frau Merkel die Kontrolle über den ihr unterstellten BND völlig entglitten ist. Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund", sagte er der Welt.

Von der Piratenpartei hieß es, es sei allerhöchste Zeit,"dass die Bundesregierung mit dem plumpen Versuch aufhört, das ganze Volk zu täuschen". Bernd Schreiner, Bundestagskandidat der Piraten aus Thüringen, fordert ein MIsstrauensvotum gegen die amtierende Bundesregierung: "Dass der Bundestag nach diesen Enthüllungen die Regierung weiter trägt, ist das lautestmögliche Schuldeingeständnis aller Fraktionen im Bundestag. Sie haben es gewusst, und sie alle schweigen bis heute. Wäre das nicht der Fall, hätte es schon längst ein Misstrauensvotum nach Artikel 67 GG gegeben." (mit Material von dpa) / (jk)