Neue Top Level Domains nicht vor 2009

Über die Zulassung neuer Top Level Domains (TLDs) will die ICANN erst im übernächsten Jahr entscheiden. Für die bereits länger auf den Start wartenden Interessenten wie dot.berlin bedeutet dies eine weitere Verzögerung.

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Von
  • Monika Ermert

Erst Anfang oder Mitte 2009 wird die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) Bewerbungen für neue Top Level Domains (TLDs) entgegennehmen, begutachten und – wenn keine Einsprüche erhoben werden – auch zulassen. Das geht aus Äußerungen von Kurt Pritz, Senior Vice Präsident Services bei der privaten Netzverwaltung, während des ICANN-Treffens in Los Angeles hervor. Für die bereits länger auf den Start wartenden Interessenten bedeutet dies eine weitere Verzögerung.

Dirk Krischenowski vom Bewerber dot.berlin sagte in Los Angeles, er komme sich manchmal vor wie Bill Murray in dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier". Dot.berlin, das nach wie vor mit der Berliner Verwaltung wegen der möglichen Einführung einer TLD für die deutsche Hauptstadt im Clinch liegt, begrüßte offiziell den "nunmehr absehbaren Abschluss der 2005 begonnenen Beratungen". Tatsächlich müssen die von der ICANN-GNSO (Generic Name Supporting Organisation), dem für generische TLDs zuständigen Selbstverwaltungsgremium, verabschiedeten Prinzipien und Empfehlungen erst noch von ICANNs ehrenamtlichen Vorständen abgesegnet werden.

Beim Treffen in Los Angeles nahmen die Direktoren die Anfang September verabschiedeten Empfehlungen der GNSO erst einmal entgegen und gaben ICANNs hauptamtlichem Büro die Aufgabe, an der Umsetzung zu arbeiten. Man warte bewusst nicht bis zur endgültigen Verabschiedung des GNSO-Berichtes durch den Vorstand, sagte der frischgebackene Vorsitzende des Vorstands, Peter Dengate-Thrush, auf Nachfrage von heise online. "So schnell wie möglich", will man laut Dengate-Thrush mit den neuen Adressen vorankommen. Regierungen und Länderdomains wollen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe dabei die Verhandlungen über generische TLDs überholen und möglichst rasch die Zulassung einzelner nicht-englischer (IDN) Adresszonen für Länderregistries ermöglichen.

Die Gründe für die Langsamkeit wurden in Los Angeles in einer sechs Stunden dauernden Debatte deutlich. "Eine Tonne von Details" sei zu bedenken, sagte Pritz in der Debatte. Schon für eine einfache Bewerbung, gegen die niemand Einspruch erhebt, gelte es zu überlegen, welche Grundvoraussetzungen ICANN dem Bewerber per Service-Level-Vereinbarung abverlangt. Pritz nannte in diesem Zusammenhang Grundsätzliches wie einen Schutz für spätere Domain-Inhaber in der neuen Zone vor "Spam, Phishing oder Ähnlichem".

Ebenfalls dem Schutz der Domain-Inhaber soll der Nachweis eines Business-Planes dienen, mit dem auch gewisse finanzielle Voraussetzungen verknüpft sind. ICANNs Büro muss auch den Vorschlag der GNSO praktisch umsetzen, die Gebühr für das Bewerbungsverfahren zu staffeln. Möglicherweise soll Bewerbern aus Entwicklungsländern ein Nachlass gewährt werden, doch selbst der scheidende ICANN-Vorsitzende Vint Cerf fragte dazu, ob man das nicht auch für nichtkommerzielle Organisationen in reichen Entwicklungsländern brauche.

Die schwierigsten Probleme stehen ICANN allerdings bei den Verfahren zu möglichen Einsprüchen gegen TLD-Bewerber vor. Pritz nannte neben klaren Einschränkungen von Zahlen-Domains, die als IP-Adressen verstanden werden können, und Adressen, die auf der Liste reservierter Namen verzeichnet sind, die Kategorie der Bewerbungen, die "existierenden TLDs zum Verwechseln ähnlich sind". Pritz sagte, man erwäge, ob die Entscheidung über eine solche Ähnlichkeit auch per Algorithmus geprüft werden könne oder ob man auf jeden Fall ein Expertengremium brauche. Schließlich sollen Einsprüche gegen TLD-Bewerbungen auf der Basis bestehender Markenrechte und auch auf der Basis von "öffentlicher Ordnung und Moral" möglich sein, empfiehlt die GNSO.

Die frühere Mitarbeiterin der National Telecommuncation and Information Administration (NTIA) und US-Anwältin Becky Burr sagte dazu in Los Angeles: "Irgendwie habe ich den Eindruck, ihr Jungs habt da ein System geschaffen, in dem nur völlig unstreitige Dinge einen Top Level Domain werden können.".

Auch für die Länderadresszonen, etwa eine chinesischsprachige TLD für CNNIC gibt es noch eine Menge Fragen zu klären. Dengate-Thrush räumte selbst ein, dass man sich vom ursprünglichen Plan "ein Land, eine Schrift, eine ccTLD" verabschieden müsse. Für China etwa stellt sich die Frage, ob man klassische oder vereinfachte Schriftzeichen zulassen oder Bündel erlauben soll, die die CNNIC offenbar favorisiert. In verschiedenen Ländern gebe es mehrere Amtssprachen mit verschiedenen Schriften, sagte Dengate-Thrush. Schließlich gilt auch zu klären, welche Adresse den Länderregistries zusteht, denn eine Entsprechung zur ISO 3166-1 Liste der Ländercodes (de, us, cn) in lokalen Sprachen beziehungsweise Schriften gibt es nicht. (Monika Ermert) / (pmz)