Forscher bezweifeln negativen Einfluss von Filesharing auf CD-Verkäufe

Nach Auswertung einer Umfrage unter 2100 Kanadiern sind zwei britische Wissenschaftler auf Hinweise gestoßen, dass Tauschbörsennutzung dem CD-Verkauf nützt.

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Studien über Musik-Filesharing gehen – zumindest wenn sie von der Musikindustrie vorgelegt werden – davon aus, dass Tauschbörsen dem CD-Verkauf schaden. Die Forscherinnen Birgitte Andersen und Marion Frenz von der Universität London sind nach Auswertung einer kanadischen Studie zu einem anderen Ergebnis gekommen. Es sei eher anzunehmen, dass Filesharing dem CD-Absatz zugute komme, als dass es ihm schade. Das geht aus ihrem Papier (PDF-Datei) The Impact of Music Downloads and P2P File-Sharing on the Purchase of Music: A Study for Industry Canada hervor. Demnach kommen auf zwölf per Filesharing heruntergeladene Songs 0,44 zusätzlich verkaufte CDs. Einen Zusammenhang zwischen Filesharing und der Nutzung von kostenpflichtigen Download-Angeboten zu ziehen, sahen sich die Forscherinnen nicht in der Lage.

Die Wissenschaftlerinnen haben für ihre Studie Daten ausgewertet, die von April bis Juni 2006 im Auftrag des kanadischen Wirtschaftsministeriums (Industry Canada) von Desimca Research durch eine telefonische Umfrage bei 2100 Bürgern gesammelt wurden. Die Befragten im Alter ab 15 Jahren – davon 1005 Tauschbörsenteilnehmer – haben unter anderem angegeben, wie viele CDs oder Musikdownloads sie erworben und welche Preise sie dafür gezahlt haben. Die Autorinnen der Studie schreiben, die Analyse der gesamten kanadischen Bevölkerung lasse keine Rückschlüsse auf positive oder negative Auswirkungen von Filesharing auf den CD-Markt zu, die Analyse der Untergruppe der bekennenden Filesharer hingegen schon.

Andersen und Frenz betonen, dass die tatsächliche Nachfrage nach CDs üblicherweise nicht abgebildet werde, wenn lediglich die Verkaufszahlen der Musikindustrie und ihre Preise zugrundegelegt würden, da es für Musik noch andere Verbreitungswege gebe – beispielsweise den Wiederverkauf. Darüber hinaus basiere die Studie auf mikroökonomischen, also eigens von Einzelnen gesammelten Daten, während andere P2P-Wirkungsstudien lediglich auf aggregierten Daten fußen.

Bisherige Studien über Tauschbörsen stellten zwei Effekte gegenüber, schreiben die Forscherinnen: "Sampling", bei dem die Internetnutzer Musik herunterladen, bevor sie sie kaufen oder weil sie anderweitig nicht erhältlich ist. Daneben gebe es den Effekt der "Substitution", bei dem der Download aus Tauschbörsen den Kauf ersetzt. Andersen und Frenz differenzieren darüber hinaus noch jene Musikliebhaber, die nicht sämtliche Stücke einer CD erwerben wollen und sich deshalb in Tauschbörsen umschauen. Rund die Hälfte der Befragten hatte angegeben, dass sie Stücke aus Tauschbörsen laden, um sie vor einem Kauf anzuhören oder weil sie nicht alle Songs einer CD kaufen wollen. Ein Viertel bediente sich beim Filesharing, weil die Musik auf andere Weise nicht zu haben war.

Bereits im Jahr 2003 kam eine britische Studie zu dem Ergebnis, dass Tauschbörsen beim CD-Verkauf helfen können, da sie eine Entscheidungshilfe darstellten. Die britische Musikindustrie meinte seinerzeit, die Annahme sei abwegig, Downloads könnten den Absatz von Musik-Alben antreiben. Stattdessen präsentierte sie eine eigene Studie, laut der zwei Drittel derjenigen, die Musik aus dem Internet saugen, dies tun, weil die Stücke gratis erhältlich sind. (anw)