Stroh zu Gold: Strom gewinnen mit Kohlendioxid

Das verpönte Klimagas könnte mit raffinierter Methode helfen, Elektrizität direkt aus dem Kraftwerk-Schlot zu erzeugen – ohne Erhöhung der CO2-Belastung.

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Von
  • Dörte Saße

Wenn über großen Kraftwerken die Abluft dampfend in den Himmel steigt, ist immer auch eine Menge Kohlendioxid enthalten. Das gleiche gilt für Haushalte oder Autos. Doch während alle Welt darauf dringt, die Menge solcher CO2-Emissionen zu senken, wollen niederländische Forscher die Abluft wenigstens sinnvoll nutzen. Ihre Methode erzeugt mit Hilfe des CO2 Strom. Dahinter steckt die Tatsache, dass Gase oder Flüssigkeiten beim Vermischen miteinander einen Teil ihrer gespeicherten Energie freigeben. Mit einem Kohlendioxid-Wasser-Gemisch und speziellen Elektroden konnten die Forscher diese Energie als elektrischen Strom abgreifen.

Die Kurve der Leerlaufspannung zeigt den Unterschied zwischen den Phasen, in denen das Luft-angereicherte Wasser (hellblau) und das CO2-angereicherte Wasser (mittelblau) die Elektroden umspült. In jeweils fünf Minuten ändert sich die
anliegende Spannung deutlich.

(Bild: ACS, Environmental Science & Technology Letters)

Die Details berichten die Forscher im neuen Fachblatt "Environmental Science & Technology Letters" – und liefern gleich eine globale Hochrechnung: Da alle Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke weltweit rund 12 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr freisetzen, private Haushalte dazu noch einmal rund 11 Billionen Tonnen, so ließe sich im Jahr theoretisch rund 1,570 Billionen (1012) Kilowattstunden Strom zusätzlich erzeugen. Das entspricht fast dem dreifachen Stromjahresverbrauch von ganz Deutschland – ohne zusätzliches CO2 freizusetzen.

"Wenn zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Zusammensetzung vermischt werden, wird Mischungsenergie frei – das gilt für Flüssigkeiten wie auch für Gase. Doch bei Gasen gibt es bis jetzt keine Technik, um diese Energiequelle abzuschöpfen", schreibt das Team um Bert Hamelers vom Forschungsinstitut Wetsus in Leeuwarden. Bislang wird solches Energiezapfen nur durch Mischen von Flüssigkeiten wie etwa Salz- und Süßwasser genutzt. Doch Hamelers und Kollegen der Universität Wageningen hatten sich vorgenommen, das nutzlos entweichende Kohlendioxid zum Einsatz zu bringen. Kraftwerksabluft enthält 5 bis 20 Prozent CO2, durchschnittliche Luft nur 0,039 Prozent. Der physikalische Grund für die freiwerdende Energie ist, dass beim Zusammenmischen einzelner Gase oder Flüssigkeiten der jeweilige Gehalt an Gibbs-Energie oder auch Freier Enthalpie sinkt. Der so entstandene Überschuss lässt sich theoretisch entnehmen.

Links die Kationen-Austauschermembran (KET), rechts die Anionen-Austauschermembran (AEM).

(Bild: ACS, Environmental Science & Technology Letters)

Um die Theorie in die Praxis umzusetzen, reicherten die Forscher zunächst entionisiertes Wasser mit Kohlendioxid in einem anderen Behälter mit Durchschnittsluft an. Mit diesen wässrigen Elektrolytlösungen umspülten sie – im Fünf-Minuten-Abstand abwechselnd – ein Paar membranbeschichteter Elektroden, von denen eine für Anionen, die andere für Kationen empfänglich war. Das CO2 reagiert in einer Lösung mit den Wassermolekülen zu Kohlensäure, die sich wiederum in positiv geladene Protonen und negativ geladene Bikarbonat-Ionen spaltet, bei hohem pH-Wert sogar zu Karbonat-Ionen. Zwischen den Elektroden wanderten die Protonen prompt zur einen, die Bikarbonat-Ionen zur anderen, so dass dazwischen eine Spannung und ein Stromfluss entstand. Das endete schnell, wenn die Luft-Lösung die Elektroden zu umspülen begann.

Mit ihrem gezielten Spül-Wechsel konnten die Forscher nachweisen, dass tatsächlich der CO2-Gehalt den Stromfluss auslöste. In einem zweiten Experiment zeigten sie, dass die Ionenkonzentration und damit die Stromausbeute steigt, je höher der Partialdruck des Kohlendioxids und die Sättigung in der Lösung sind. Und in einem dritten Aufbau erhöhten sie die Ausbeute weiter, indem sie das entionisierte Wasser als Elektrolytbasis durch eine basische Lösung von Monoethanolamin (MEA) ersetzten – im besten Fall lag die Leistungsdichte mit MEA um den Faktor 16 höher als mit Wasser. So ließ sich die Gesamteffizienz des Prozesses von 24 Prozent mit MEA auf 32 Prozent steigern.

Dennoch hat die Methode noch einen Haken, schreiben die Forscher: Das Anreichern der Lösung mit den Gasen ist auf herkömmlichem Wege – wie auch in Kläranlagen – so energieintensiv, dass es den Stromgewinn praktisch zunichte macht. So suchen sie jetzt nach einem passiveren Weg, etwa über Membranen. Sollte das gelingen, könnte der Prozess zumindest bei einem Teil der weltweiten CO2-Emissionen angewendet werden. Von den rund 12 Milliarden Tonnen stammen rund 9 aus Kohle- und Öl-befeuerten Kraftwerken mit durchschnittlich 12,7 Prozent Kohlendioxid in der Abluft, der Rest aus Gaskraftwerken mit im Schnitt 7,5 Prozent. (anw)