Brainshare-Nachlese: IT als Einheit

Bei Novells Mischung aus Mini-Messe und Admin-Hochschule traf die Open-Source-Gemeinde auf klassisches Management – eine Partnerschaft, die nicht immer ganz ohne Reibereien bleibt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Mit einer Keynote-Parade der Überhacker und Demos von der "Hack Week" hat Novell am vergangenen Karfreitag die diesjährige Brainshare beendet. Die Mischung aus Mini-Messe und Admin-Hochschule mit abendlicher Dauerparty stand 2008 unter dem Motto "Making IT work as One". Diese Einheit bezog sich nicht allein auf das Zusammenspiel herkömmlicher Software und Open Source, sondern auch auf das Zusammenkommen sehr unterschiedlicher Managementstile. Novell will die blumige Floskel von der "agilen IT-Firma" mit Leben füllen, auch wenn es dabei manchmal hakt.

"Wir mappen Kunden-Anforderungen mit dem Community-Geist der Open Source. Das ist unser Geschäft und es ist nicht immer ganz einfach", erklärte Novells Europa-Manager Volker Smid das Geschäftsmodell der neuen Novell im Interview mit heise online. "Da singt kein Chor, sondern das ist durchaus asynchron, was da passiert." Sangesproben dieser Art waren auch auf der Brainshare zu hören. Da wetterte ein Novell-Manager über die Verspieltheit, mit der Lime Juice mit Eis gemischt wird, wie es das Appliance-Projekt Cocktail in Cat macht. Umgekehrt schimpfen Entwickler über das Entropy Department, wenn vom Management verfügt wird, dass vor dem Login in Novells Bugzilla eine Flash-Animation geschaltet wird.

Innerhalb von Novell gibt es mehrere Ansätze, mit den Reibungen umzugehen. Einen vertritt der erwähnte Volker Smid, der als Netware-Vertriebsmann aus den ruhmreichen Tagen von Netware 3.11 SFT nunmehr als Außenstehender verfolgt, was aus den Ideen in der Community umgesetzt wird: "Die Power von Open Source liegt nun aber in der Art und Weise, wie Communities gemeinsam Produkte in schnelleren Innovationen entwickelt, als dies eine Firma leistet. Was passiert, ist, dass Innovation schneller zum Kunden kommt, manchmal schneller, als wir es merken. Das ist das ehrliche Kompliment, was ich der Community machen muss." Die andere Position wird vom Chief Technology Officer Jeff Jaffe vertreten, der auf der Brainshare-Pressekonferenz zügelte: "Die Arbeit der Community ist toll, aber wenn die Innovationen in viel zu viele Richtungen gehen, dann verfranzt man sich. Wir müssen die Vorgaben machen und die Fahrtroute abstecken."

Einer, der als Übersetzer in beiden Richtungen auftritt, ist Joe "Zonker" Brockmeier, der am Freitag zur Keynote seinen Auftritt hatte. Brockmeier wurde unlängst von Novell als "Community Manager" eingestellt und zeigte dem Brainshare-Publikum, was die Gnome-Hacker mit Giver und Tasque während der Woche in Salt Lake City entwickelt hatten. Als echter Manager stellte Brockmeier im Gespräch mit heise online klar: "Natürlich sind wir keine Einheit. Aber die Sache mit dem Entropy Department wird übertrieben. Bei dieser Flash-Geschichte mit Bugzilla brauchte ich gar nicht eingreifen, sie wurde sehr schnell eingestellt." Gefragt, ob er sich als Dolmetscher für das Management oder für Forderungen aus der Community versteht, antwortete Brockmeier: "Weder das eine noch das andere, das wird doch selten notwendig sein. Ich werde Sachen für die Community organisieren, bin aber in erster Linie dazu da, Windows- und Mac-Anhänger für Opensuse zu gewinnen. Mein ursprünglicher Titel bei Novell war 'Evangelist', aber das klang mir schlicht zu religiös."

Mit den auf der Brainshare bekanntgegebenen Plänen für Suse Enterprise Linux 11 hat Novell die Marken gesetzt, an denen sich Entwickler orientieren können. Die Kunden will man mit der Langzeitstrategie des Fossa Projektes (PDF-Datei) überzeugen, dass noch ziemlich wolkig ist und an die wundersame GreenIT erinnert. Erstmals (zumindest ausweislich der Läppchen an ihren Messeausweisen) tauchten bei dieser Brainshare die Akademiker auf, die als Technology Transfer Partner sonst eine eigene Konferenz bestreiten, in der es um Linux auf dem Universitätscampus geht. Ein TTP-Teilnehmer (die Akademiker müssen wie die teilnehmenden Universitäten NDA-KLauseln unterschreiben und scheuen Namensnennungen) erklärte seine Interessen so: "Man kann Novelles Technologien studieren. Man kann aber auch Novell als Technologie studieren. Das ganze Gerede um Mixed-Source-, Semi-Source- und Closed-Source-Softwarefirmen ist doch Unsinn. Keine Softwarefirmen wird zukünftig daran vorbeikommen, Open-Source-Entwicklungsprojekte zu integrieren, auch Microsoft oder SAP nicht. Novell ist somit ein Studienobjekt für die Friktionen, die dabei auftreten können." (Detlef Borchers) / (vbr)