Das Google-Phone ist ein Android

Statt eines Google-Handys hat der Suchmaschinenriese heute wie erwartet eine offene Softwareplattform angekündigt, an deren Entwicklung über 30 namhafte IT-Unternehmen im Rahmen einer Open Handset Alliance beteiligt sind.

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Wer den Gerüchten glaubte und hoffte, heute das "GPhone" oder zumindest das "Google-Phone" zu Gesicht zu bekommen, wird enttäuscht sein. Statt eines schmucken Handys stellte Google einen Androiden vor: "Android" heißt die neue Software-Plattform für Handys, die der Suchmaschinenbetreiber zusammen mit über 30 weiteren Unternehmen aus der IT- und TK-Branche entwickelt. Das Konsortium nennt sich Open Handset Alliance und hat sich zur Aufgabe gestellt, eine innovative Softwarearchitektur zu entwickeln, die auf offene Standards setzt. "Was wir heute ankündigen, ist ambitionierter und bedeutender als ein einzelnes Telefon", kommentierte Andy Rubin, Googles Chef für mobile Plattformen, anlässlich der Vorstellung des Projekts am heutigen Montag.

Das auf Linux sowie Java aufbauende und unter Open-Source-Bedingungen veröffentlichte System soll die Entwicklung von leistungsfähigen Handys schneller und kostengünstiger machen. Die Plattform umfasst ein Betriebssystem sowie Ebenen für ein Interface und Anwendungen. Ein Software Development Kit (SDK) soll in etwa einer Woche zur Verfügung stehen. Die Hardwarepartner haben bereits angekündigt, Module und Geräte für die neue Plattform zu entwickeln. Handys auf Android-Basis dürften frühestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres in den Handel kommen.

Der Open Handset Alliance gehören Netzbetreiber, Handy- und Chiphersteller sowie Softwareentwickler und Diensteanbieter an. Google hat mit HTC, LG, Motorola und Samsung namhafte Handyhersteller für die Allianz gewinnen können; Marktführer Nokia ist nicht mit an Bord. Zu den Telcos im Konsortium gehören neben T-Mobile die spanische Telefonica und Telecom Italia, der chinesische Mobilfunkriese China Mobile sowie die US-Carrier Sprint Nextel und T-Mobile USA – die US-Größen AT&T und Verizon glänzen durch Abwesenheit. Neben Intel vertreten Texas Instruments sowie die Streithähne Qualcomm (sonst nicht gerade ein Verfechter offener Standards) und Broadcom die Chipbranche. Auch Skype-Mutter eBay ist mit von der Partie.

Mit Android wollen Google und seine Mitstreiter das Handy und Softwareentwickler von proprietären Fesseln befreien, mit denen Hersteller, Netzbetreiber und Serviceanbieter den Markt kontrollieren. Mit dem neuen Standard hofft die Allianz, das Handy wie das Internet für verschiedenste Anwendungen zu öffnen und innovative Dienste schneller auf Mobiltelefone bringen zu können. "Diese Partnerschaft wird helfen, das Potenzial der Mobilfunktechnik für Milliarden Nutzer auf der Welt zu erschließen", teilte Google-CEO Eric Schmidt mit. "Unsere Vision ist, dass eine leistungsfähige Plattform tausende von verschiedenen Mobiltelefonen hervorbringen wird."

Der Suchmaschinenbetreiber dürfte vor allem ein Interesse daran haben, seine Anwendungen und Anzeigen auf möglichst viele Handys zu bringen. Einigen muss sich Google dabei vor allem mit den Netzbetreibern, die das Zukunftsgeschäft mit Inhalten und Werbung in ihren Netzen nicht alleine den Diensteanbietern überlassen wollen. Mit AT&T und Verizon sind die beiden größten US-Netzbetreiber bisher nicht von der Partie, auch die europäische Branchengröße Vodafone bleibt noch auf Abstand.

Andererseits erhoffen sich die Mobil-Carrier im Konsortium von offenen Standards, billigeren Handys und zahlreichen Diensten auch einen Impuls für mehr Nutzung ihrer Netze. So begrüßte auch Telekom-Chef René Obermann Googles Einstieg in das Mobilfunkgeschäft. Die Plattform sei eine gute Möglichkeit, das mobile Internet zu einem Massenmarkt zu entwickeln. T-Mobile will im kommenden Jahr in Europa und den USA Dienste auf der Google-Plattform einführen.

Android wird auch gegen die gängigen Mobilbetriebssysteme von Microsoft, RIM, Palm und Symbian ins Feld geführt. Symbian gehört zu einer guten Hälfte zum Nokia-Konzern, auch Ericsson und Sony Ericsson halten Anteile an dem Softwareanbieter. Gleichzeitig wildert die Open Handset Alliance in den Gefilden vergleichbarer Initiativen wie OpenMoko, die ebenfalls ein offenes System für Smartphones entwickeln.

Auch Apple, dessen iPhone-Software viel Lob erntete, aber noch ein weitgehend geschlossenes System ist, wird sich Googles Vorstoß auf den Mobilfunkmarkt genau ansehen. Für Schmidt, der im Aufsichtsrat von Apple sitzt, könnte Android womöglich zu einem kleinen Interessenskonflikt werden: Er liefert damit nämlich Software auch an Apples Konkurrenten. Als pikante Randnotiz mag gelten, dass auf Android basierende Anwendungen einer ersten Präsentation zufolge in Design und Diensten dem iPhone ähnlich sein dürften, wie die New York Times berichtet. (vbr)