Polizeigewerkschaft ruft trotz PRISM nach Vorratsdatenspeicherung

Für den GdP-Chef Oliver Malchow steht die NSA-Überwachung in keinem Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung. Laut seinem Kollegen Rainer Wendt nutzt auch die deutsche Polizei Informationen aus PRISM.

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Der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, fordert auch nach den Enthüllungen zum US-Überwachungsprogramm PRISM die verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren. Das "flächendeckende Ausspähen von Bürgern", wie es derzeit im Rahmen von Spionageaktionen der National Security Agency (NSA) diskutiert werde, stehe in "keinem Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung. Das sind sehr verschiedene Schuhe", erklärte Malchow gegenüber dem Handelsblatt. Im Juni hatte bereits der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, weiter für die Vorratsdatenspeicherung geworben.

Die NSA-Debatte habe die Polizei "leider in die Defensive gebracht, weil alles in einen Topf geschmissen wird", beklagte Malchow. Die Politik, die derzeit bis hin zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lange Speicherfristen in Frage stellt, müsse sich damit befassen, was die Vorratsdatenspeicherung für die tägliche Arbeit der Ermittler bedeute. Er erwarte, dass sich die nächste Bundesregierung nach der Wahl im Herbst "darüber aufklärt".

Verbindungs- und Standortdaten aufzubewahren sei kein Selbstzweck, führte Malchow aus. Vielmehr sei die Vorratsdatenspeicherung wichtig, um Terrorismus, Kinderpornographie, sexuellen Missbrauch, Arzneimittelkriminalität oder organisierte Kriminalität aufzuklären. Auch die NSA lässt sich von Providern mit diesem Argument die Nutzerspuren deren Kunden über Monate und Jahre hinweg aushändigen und nutzt diese fürs Data Mining, wie der Whistleblower Edward Snowden offenbarte. Die Zugriffsmöglichkeiten hiesiger Ermittler müssten nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dagegen deutlich stärker reglementiert und richterlich abgesegnet werden.

Der GdP-Chef ärgerte sich zugleich über die Aussage, dass der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung noch nicht bewiesen sei. Gegenteilige Statistiken konnte aber auch er nicht vorweisen. Als "widersinnig" bezeichnete Malchow, Verbindungsdaten auf Zuruf von Strafverfolgern einzufrieren, wie es Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ins Spiel gebracht hat. Es sei unmöglich, Spuren zu sammeln, wenn erst im Verdachtsfall die dann vorhandenen Daten archiviert werden dürften. Malchow räumte überdies ein, dass die Polizei "erhebliche Ermittlungsdefizite im Bereich der Internetkriminalität" habe. Es fehle an speziell ausgebildeten Cyber-Cops.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, zeigte sich gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung überzeugt, "dass der deutschen Polizei Ergebnisse aus dem PRISM-Programm direkt übermittelt" worden seien. Damit hätten hierzulande Anschläge verhindert werden können.

"Solche Erkenntnisse wachsen ja nicht auf Bäumen, sondern stammen wie bei der NSA aus nachrichtendienstlichen Erkenntnissen", erläuterte Wendt. Die US-Regierung hatte Berlin zuvor "nur für den offiziellen Gebrauch" ein Dokument zukommen lassen, wonach PRISM kein System zur "Massenerfassung" von Daten deutscher Bürger oder Unternehmen sei. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) hatte gerade im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestags unterstrichen, dass die deutschen Geheimdienste "nach Recht und Gesetz" arbeiteten und die hiesigen Datenschutzregeln "zu 100 Prozent" einhielten.

Wendt meint, SPD, Grüne und Linke führten im PKG eine "fahrlässige Wahlkampfdebatte". Diese beschädige die Sicherheitsbehörden massiv. Es sei "Quatsch, dass der Staat vor dem Bürger keine Geheimnisse haben darf". Die Arbeitsweise der Geheimdienste gehöre nicht in die Öffentlichkeit. Wendt forderte aber eine neue Behörde mit mindestens 50 Angestellten zur Kontrolle der Nachrichtendienste. Diese Zentrale solle auch alle Landesverfassungsschutzämter permanent beaufsichtigen. (anw)