Bundesverwaltung sieht sich massiven Angriffen auf Websites ausgesetzt

Die Bundesregierung verteidigt die verdachtsunabhängige Speicherung von IP-Adressen der Besucher fast aller ihrer Internetangebote und der Webauftritte nachgeordneter Behörden mit Sicherheitsargumenten.

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Die Bundesregierung verteidigt die verdachtsunabhängige Speicherung von IP-Adressen der Besucher fast aller ihrer Internetangebote und der Webauftritte nachgeordneter Behörden wie dem des Bundeskriminalamts (BKA) vor allem mit Sicherheitsargumenten. "Die Bundesverwaltung ist kontinuierlich massiven und hoch professionellen Angriffen aus dem Internet ausgesetzt", schreibt das Bundesinnenministerium in seiner Antwort (PDF-Datei) auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag zur Registrierung von Surfern. Der davon verursachte Kommunikationsverkehr übertreffe seit Langem den regulären Datenfluss. Zur Abwehr und zur Aufrechterhaltung des Behördenbetriebs gehöre "zwingend" etwa die Vorhaltung der IP-Adressen, um Angriffsmuster zu erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

Dass eine Behörden-Website auch ohne derartige "Zwangsmaßnahmen" zu betreiben ist, beweist derweil täglich das Bundesjustizministerium. Das Landgericht Berlin hatte es dem Regierungsressort – genauso wie zuvor das Amtsgericht Berlin – im September untersagt, über seine Webseite personenbezogene Daten über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern. Insbesondere dürfen demnach IP-Adressen nicht archiviert werden. Das Ministerium erstellt inzwischen nur noch anonyme Statistiken über die Besucher seiner Website. Als Entscheidungsgrundlage führten die Richter vor allem das Telemediengesetz (TMG) an. Laut der seit März geltenden Regelung dürfen Betreiber von Internetdiensten keine personenbezogenen Daten auf Vorrat speichern.

Angesichts dieser Tatsachen ist für den damaligen Kläger gegen das Justizministerium, den auch im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung aktiven Juristen Patrick Breyer, die Sicherheitsargumentation des Innenministeriums "eine Mär". Er erinnerte gegenüber heise online zugleich daran, dass laut den Berliner Gerichten auch Sicherheitsgründe keine anlasslose, personenbezogene Speicherung rechtfertigen. Das Innenministerium erklärte bei der Vorstellung des Umsetzungsplans für den bereits vorgezeichneten Grundriss zum Schutz der Informationsinfrastrukturen zudem vor Kurzem selbst, dass sich bisher allein das Bundesverwaltungsamt (BVA) einem großflächigen Denial-of-Service-Angriff (DoS) ausgesetzt gesehen habe.

Die Bundesregierung geht in ihrer Antwort auch auf die Speicherung von IP-Adressen von Besuchern der Internetseite des BKA über die "militante gruppe" ein. Dabei handelt es sich demnach um eine "anlassbezogene" Datenvorhaltung auf Basis der allgemeinen Ermittlungsbefugnis aus den Paragraphen 161 und 163 der Strafprozessordnung (StPO). Eine darüber hinausgehende Feststellung der Anschlussinhaber über die Provider erfolge zudem nur bei Netzkennungen, "die eine signifikante Zugriffsfrequenz aufweisen". Generell träfen darauf die Berliner Urteile nicht zu. Weiter behauptet das Innenministerium, dass trotz dieser Rechtsprechung "nicht abschließend geklärt" sei, inwieweit IP-Adressen überhaupt personenbezogene Daten darstellten und auch ein Mediendiensteanbieter diese schützen müsse.

"Die Bundesregierung ist hier selbst nach einer gerichtlichen Verurteilung nicht bereit, geltendes Recht anzuerkennen und zu befolgen", hält Breyer dieser Auffassung entgegen. Die StPO biete zudem keine Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung von IP-Adressen. Es sei unstreitig, dass das Telemediengesetz die Speicherung von Nutzungsdaten abschließend regele und somit Vorrang vor der Strafprozessordnung habe. Als "hanebüchen" bezeichnete der Jurist zudem die Angabe des Innenministeriums, dass die Vorhaltung der Netzkennungen beim BKA "anlassbezogen" erfolge. Wenn jeder Besucher einer Webseite ohne konkrete Verdachtsmomente erfasst werde, sei dies als generelle Speicherung zu verstehen. Ferner gibt Breyer zu bedenken, dass die IP-Adressen beim BKA "auf Jahre gespeichert" blieben, wenn sich die Aufbewahrungsdauer erwartungsgemäß nach der Vorhaltung der Ermittlungsakte richte. (Stefan Krempl) / (anw)