EU-Abgeordnete wollen weltweit gegen Internet-Zensur eintreten

Acht Volksvertreter haben einen Entwurf für einen EU Global Online Freedom Act veröffentlicht, mit dem jährlich eine schwarze Liste mit Netzzensur praktizierenden Ländern erstellt und betroffene Nationen mit Handelsbeschränkungen belegt werden sollen.

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Acht EU-Abgeordnete der vier großen Fraktionen haben einen Entwurf für einen EU Global Online Freedom Act veröffentlicht. Mit der geplanten Richtlinie soll jährlich eine schwarze Liste mit Netzzensur praktizierenden Ländern erstellt werden. Der Handel mit verzeichneten Nationen, die den freien Informationsfluss übers Netz systematisch zu unterbinden suchen, solle eingeschränkt werden. Zudem sollen jährlich 20 Millionen Euro aufgewendet werden, um Anti-Zensurwerkzeuge zu entwickeln und zu verbreiten. Vorrangig zu fördern sind dabei nach dem Willen der Parlamentarier nutzerfreundliche Internetprogramme und ­protokolle, die für möglichst viele Nutzer in den betroffenen Ländern einen sicheren Netzzugang ohne große Einbrüche bei der Geschwindigkeit zur Verfügung stellen.

Die Forderungen der Abgeordnetengruppe, zu der aus dem deutschsprachigen Raum die Grünen Eva Lichtenberger und Frithjof Schmidt gehören, sind in 19 Paragraphen verpackt. Wesentlich dabei ist unter anderem die Aufnahme eines neuen Teils in den EU-Jahresbericht zur Menschenrechtssituation weltweit, in der eine Einschätzung der Internetfreiheiten in anderen Ländern erfolgen soll. Zu berücksichtigen seien dabei etwa die allgemeine Verfügbarkeit von Netzzugängen, Regierungsbemühungen zum Filtern, Zensieren oder Blockieren von Internetinhalten sowie eine Aufzählung bekannter Akte der Verfolgung von Individuen oder Gruppen für die friedliche Äußerung politischer, religiöser oder abweichender Meinungen über das Internet.

Darüber hinaus schwebt den Parlamentariern, zu denen auch zwei Vertreter der konservativen Europäischen Volkspartei sowie ein Sozialist gehören, die Einrichtung eines Büros für globale Internetfreiheiten im Bereich der EU-Außenbeziehungen ein. Dieses soll eine weltweite Strategie zur Bekämpfung der Internetbehinderung durch Staaten aufsetzen und dem EU-Rat sowie dem Parlament bei der Erstellung der Liste mit Zensurnationen zuarbeiten. Als anfängliche Aspiranten für den größtenteils öffentlichen Pranger nennt der Entwurf bereits Länder wie Ägypten, Burma, das derzeit wegen der Olympischen Spiele mit seinen Zensurbestrebungen im Vordergrund stehende China, Iran, Kuba, Saudi-Arabien, Syrien, Tunesien, Usbekistan oder Vietnam. Für die erfassten Länder sollen unter anderem Exportbeschränkungen gelten.

So dürfen dem Papier nach die Betreiber von Suchmaschinen oder Inhalteanbieter aus der EU keine Hardware in Zensurländer ansiedeln, auf der für ihre Dienste wichtige Daten aufbewahrt werden. Europäische Suchmaschinen dürften zudem ihre Leistungen nicht auf Zuruf der gebrandmarkten Nationen ändern und dadurch etwa andere Trefferlisten in den betroffenen Ländern ausspucken. Persönliche Nutzerdaten sollen ferner allein zu legitimen Strafverfolgungszwecken an autoritäre Staaten geliefert werden dürfen, nicht zum Vorgehen gegen Nutzer, die von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Bei Verstoß gegen die Auflagen drohen nach dem Willen der Abgeordneten sowohl zivil- als auch strafrechtliche Sanktionen. Auch Klagemöglichkeiten von Nutzern gegen Firmen, die sich nicht an die Regeln halten, sollen eröffnet werden.

Eng ausgerichtet ist der Vorschlag am Entwurf für ein ähnliches Vorhaben in den USA, das derzeit aber auf Eis liegt. Zudem forderte auch der Bundestag von der Bundesregierung im Juni einen stärkeren Einsatz für Meinungs- und Pressefreiheit im Internet. Konkret bleibt der deutsche Entschließungsantrag aber weit hinter den in Brüssel diskutierten Bestimmungen zurück. Übergreifende Fraktionsvorstöße im EU-Parlament für EU-Richtlinien sind selten, in der Regel startet die Kommission ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren. Einer der Vorreiter, der niederländische Liberale Jules Maaten, sieht aber raschen Handlungsbedarf: "Wir brauchen mehr Transparenz über die Verwicklung europäischer Firmen in die Internet-Zensur." Nötig seien "Gesetze, die Sanktionen vorsehen". (Stefan Krempl) / (vbr)